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Montag, 2. Juni 2014

Das Gegenteil von "gut" ....

man könnte meinen "Welten" liegen zwischen diesen zwei Fotos - und es ist doch noch nicht so viel Zeit vergangen. HEUTE nachmittag denke ich besonders an Irmgard. Wieder eine der jährlichen CT Kontrollen. Zweimal Zungenuntrgrundkrebs! Acht Operationen, zig-Bestrahlungen ... an deren
Ende künstlich ernährt und .....ja.....und? So viel Hilflosigkeit war da ja auch bei uns Freundinnen. Man will DA sein, man will was Liebes tun, man fühlt sich entsetzlich hilflos. Was man tut, man spürt es selbst, ist irgendwie falsch. Die größte Gefahr besteht dann wohl darin, dass man am liebsten einen großen Bogen um Krankenzimmer und Krankenbett und der armen Kranken machen möchte..
Eine so schwere Krankheit belastet auch alle sozialen Beziehungen ....
Ich bin Irmgard dankbar, dass sie heute so offen darüber schreiben kann: ja, wenn ich sie mir so am Foto anschaue: "Rollkragenpullover anprobieren ...." war vielleicht doch nicht die Königsidee....aber wenigstens lachen können wir heute...und beten .... WEIL doch in diesen Minuten .. CT Kontrolle....

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"Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Da hing ich nun, sozusagen am Tropf, bzw. an der Nahrung, die aus einem Plastikbeutel mit Hilfe eines dünnen Schlauches durch die Nase in meinen Magen floss. Ich konnte damit  ‚spazieren gehen‘, bzw. ich fuhr mit dem G’stell  sogar ins Schwesternzimmer, um Nachschub zu holen, spülte das System selbst durch und schloss auch den Wasserbeutel an. Nahrung direkt über den Mund zuzuführen, war praktisch unmöglich, war doch der ganze Mundraum wund und voll mit Bläschen – eine Folge der Bestrahlungen, auch eine Wunde, die nur langsam heilte.
Und dann kamen meine besorgten Freundinnen, die mir ‚Gutes tun wollten‘, an mein Krankenbett. Die eine brachte selbstgemachte Mehlspeise und Obst, die andere gar einen Rollkragenpullover zum Probieren, den ich mir schon lange gewünscht hatte. Aber wie sollte das gehen mit dem Probieren, wo ich doch ‚verkabelt war‘? Entweder konnten sie sich gar nicht vorstellen, was für mich alles zu diesem Zeitpunkt nicht möglich war, oder sie wollten es ganz einfach nicht wahrhaben und mir ‚Gutes tun‘. Enttäuschend wohl für uns alle, daß ich so gar nichts von dem Angebotenen annehmen konnte. Und es auch lange Zeit danach nicht konnte. Nur sehr langsam von flüssig über breiig oder cremig war die Nahrungsaufnahme nach Entfernen der  Sonde wieder möglich. Da genug an ‚körperlichem Volumen‘ vorhanden war, schmerzte der Verlust von zehn Kilo nicht allzu sehr, zumal sich einige davon mittlerweile wieder eingestellt haben. Und das deshalb, weil das, was ich heute an Nahrung zu mir nehme, wider aller Erwartungen schmeckt und daher auch ‚anschlägt‘. Und inzwischen ist auch meinen Freundinnen mein Speiseplan bekannt, und eventuelle Kostproben werden darauf abgestimmt."