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Dienstag, 3. Juni 2014

"...wie türkisches Mensch"

                                                           Ayla - Foto Ilselein

„GRATIS Nachhilfe – mehr vom Leben“, lese ich jetzt immer in großformatigen Anzeigen. Ja, das ist wirklich gut: Die Stadt Wien ermöglicht Gratis Förderstunden ab Herbst für Volksschulkinder -
in erster Linie werden wohl Migrantenkinder das Angebot nutzen.
Migrantenkinder, wie meine Ayla. Und doch war es zwischen uns viel mehr als „Förderstunde“ und „Nachhilfe“. Die wirkliche Bereicherung lag im Einander Kennenlernen. Ayla war in meiner Welt zu Hause – und ich in Aylas Welt.

Als Ayla das erste Mal zu mir kommt spricht sie kaum ein Wort. Sie ist schüchtern, spürt aber wohl auch, dass sie sich nicht verständlich ausdrücken kann.
Wir setzen uns einfach einmal hin und es gibt einen Apfelsaft
„wie türkisches Mensch“ sagt Ayla
in der Küche verschütte ich beim zweiten Einschenken Apfelsaft und wisch das schnell mit dem Geschirrtuch auf
wie türkisches Mensch“ sagt Ayla
Im Wohnzimmer streichelt sie über Sessel und Sitzgarnitur
„wie türkisches Mensch“ sagt Ayla
nach der ersten Aufgabe, die wir machen, muss sie aufs Clo. Ich sehe es ihr nur an, sie rutscht unruhig hin und her … „musst du auf die Toilette?“
Ein bisschen verzweifelt schaut sie, ich zeige ihr, wo die Türe ist
dann kommt sie strahlend zurück
„wie türkisches Mensch“

Welche Angst muss Ayla gehabt haben, vor dem Leben „der Anderen“.
Noch nie zuvor war sie bei einer österreichischen Familie

Aber wir entdecken auch einen UNTERSCHIED

Ayla steht lang vor den Bücherregalen, in jedem Zimmer gibt’s Extra Literatur
ich sehe wie sie vorsichtig über die Buchrücken wischt
„ALLES...?“ fragt sie mich – dh ,hast du das alles gelesen?
Ja sag ich Ayla, ich lese sehr sehr viel und gern
Plötzlich zieht sie ein Buch – noch eingeschweißt in Folie – aus dem Regal und mit großem Augenrollen fragt sie „AUCH?“
Uijegerl, jetzt hat sie mich erwischt – nein JEDES Buch hat Ilse doch nicht gelesen
(und mir wird klar, wie aufmerksam und vif Ayla ist)

Noch lange bleibt Ayla vor den Büchern stehen. Dann sagt sie
„nicht wie türkisches Mensch...“
Bei ihr daheim jedenfalls und auch bei den Tanten und Onkeln gibt es keine„Bücher“
Aber das hat sich schnell geändert. Ayla ist zur Leseratte geworden …
In der Schule hat sie gelernt sich Bücher in der Bibliothek auszuleihen, aber auch die Eltern
haben ihr bereitwillig gekauft, was sie lesen wollte
„wie österreichisches Mensch..“

WIE WICHTIG WÄRE ES, dass es – neben allen Förderstunden in der Schule - auch das gibt:

Ein EINANDER Kennenlernen im Alltagsleben.