„GRATIS Nachhilfe – mehr vom
Leben“, lese ich jetzt immer in großformatigen Anzeigen. Ja, das
ist wirklich gut: Die Stadt Wien ermöglicht Gratis Förderstunden ab
Herbst für Volksschulkinder -
in erster Linie werden wohl
Migrantenkinder das Angebot nutzen.
Migrantenkinder, wie meine Ayla. Und
doch war es zwischen uns viel mehr als „Förderstunde“ und
„Nachhilfe“. Die wirkliche Bereicherung lag im Einander
Kennenlernen. Ayla war in meiner Welt zu Hause – und ich in Aylas
Welt.
Als Ayla das erste Mal zu mir kommt
spricht sie kaum ein Wort. Sie ist schüchtern, spürt aber wohl
auch, dass sie sich nicht verständlich ausdrücken kann.
Wir setzen uns einfach einmal hin und
es gibt einen Apfelsaft
„wie türkisches Mensch“ sagt Ayla
in der Küche verschütte ich beim
zweiten Einschenken Apfelsaft und wisch das schnell mit dem
Geschirrtuch auf
„wie türkisches Mensch“ sagt Ayla
Im Wohnzimmer streichelt sie über
Sessel und Sitzgarnitur
„wie türkisches Mensch“ sagt Ayla
nach der ersten Aufgabe, die wir
machen, muss sie aufs Clo. Ich sehe es ihr nur an, sie rutscht
unruhig hin und her … „musst du auf die Toilette?“
Ein bisschen verzweifelt schaut sie,
ich zeige ihr, wo die Türe ist
dann kommt sie strahlend zurück
„wie türkisches Mensch“
Welche Angst muss Ayla gehabt
haben, vor dem Leben „der Anderen“.
Noch nie zuvor war sie bei einer
österreichischen Familie
Aber wir entdecken auch einen
UNTERSCHIED
Ayla steht lang vor den Bücherregalen,
in jedem Zimmer gibt’s Extra Literatur
ich sehe wie sie vorsichtig über die
Buchrücken wischt
„ALLES...?“ fragt sie mich – dh
,hast du das alles gelesen?
Ja sag ich Ayla, ich lese sehr sehr
viel und gern
Plötzlich zieht sie ein Buch – noch
eingeschweißt in Folie – aus dem Regal und mit großem Augenrollen
fragt sie „AUCH?“
Uijegerl, jetzt hat sie mich erwischt –
nein JEDES Buch hat Ilse doch nicht gelesen
(und mir wird klar, wie aufmerksam und
vif Ayla ist)
Noch lange bleibt Ayla vor den Büchern
stehen. Dann sagt sie
„nicht wie türkisches Mensch...“
Bei ihr daheim jedenfalls und auch bei den Tanten und Onkeln gibt es keine„Bücher“
Aber das hat sich schnell geändert.
Ayla ist zur Leseratte geworden …
In der Schule hat sie gelernt sich
Bücher in der Bibliothek auszuleihen, aber auch die Eltern
haben ihr bereitwillig gekauft, was sie
lesen wollte
„wie österreichisches Mensch..“
WIE WICHTIG WÄRE ES, dass es – neben
allen Förderstunden in der Schule - auch das gibt:
Ein EINANDER Kennenlernen im
Alltagsleben.