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Freitag, 2. Mai 2014

meine Maria - im Mai, Kurt Marti

1
und maria sang
ihrem ungeborenen sohn:

meine seele erhebt den herrn
ich juble zu gott meinem befreier
ich: eine unbedeutende frau
aber glücklich werden mich preisen
die leute von jetzt an
denn großes hat gott an mir getan –
sein name ist heilig
und grenzenlos sein erbarmen
zu allen denen es ernst ist mit ihm –
er braucht seine macht
um die pläne der machthaber fortzufegen
er stürzt die hohen vom sitz
und hebt die unterdrückten empor
er macht die hungrigen reich
und schickt die reichen hungrig weg.....
         .....
6
und maria trat

aus ihren bildern
und kletterte

von ihren altären herab
und sie wurde

das mädchen courage
die heilig kecke jeanne d'arc

und sie war

seraphina vom freien geist
rebellin gegen männermacht und hierarchie

und sie bot

in käthe der kräutermuhme
aufständischen bauern ein versteck

und sie wurde

millionenfach als hexe
zur ehre des gottesgötzen verbrannt

und sie war

die kleine therese
aber rosa luxemburg auch

und sie war

simone weil „la vierge rouge"
und zeugin des absoluten

und sie wurde

zur madonna leone die nackt
auf dem löwen für ihre indios reitet –

und sie war und sie ist

vielleibig vielstimmig
die subversive hoffnung
ihres gesangs

Kurt Marti, (*1921), Schweizer reformierter Pfarrer