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Freitag, 30. Mai 2014

Was alles nicht mehr möglich ist - vom Über-leben zum Leben

                                                                    Foto Irmgard Czerny

Eine schwere Krankheit gehabt zu haben - zu wissen und zu hoffen : ES IST VORBEI
das ist ja nur ein Teil des Aufatmens. Das Leben geht zumeist nicht weiter "wie vorher".
Nach Außen hin mag es so scheinen - aber allein der Schock über das, was da aus heiterem Himmel über einen herein gebrochen ist - allein dieser Schock verschwindet nicht so schnell. Einschränkungen bleiben. Irmgard hat einen wunderbaren großen Garten, immer wieder alles
"selbst geschupft" - nun braucht sie doch Hilfe, alles gar nicht so einfach. Viel einschneidender aber der Verlust von Dingen, die einem immer Kraft und Freude gegeben haben ... nun ist auch das weg. Irmgard. die auch selbst dichtet, hat immer wieder in Seniorenheimen kleine Leseabende veranstaltet - das geht nun nicht mehr, vor allem aber ist es "das Singen", das sie vermisst.
..."Männer" zum Glück weniger...wenn auch eine "hilfreiche" Hand bisweilen angenehm wäre

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Was alles nicht mehr möglich ist. Nicht nur bezogen auf die Zeit nach dem gesundheitlichen Schicksalsschlag, nein zusätzlich auf die Zeit, ‚die noch bleibt..‘
Zwei Beispiele, die manchen vielleicht nicht wirklich wichtig erscheinen mögen, mich aber doch zeitweise, wenn sie mir so deutlich vor Augen treten, nachdenklich und betroffen machen: 
hatte ich nach der ersten Krebserkrankung, nach der ich die Bestrahlungen abgelehnt hatte, bereits einen Amateurchor gefunden, der zwar Gospel und ernste Lieder im Programm hatte, aber auch Flottes wie Musical und Schlager, dem ich mich anschließen wollte, mußte ich nach den Bestrahlungen bei der zweiten Erkrankung feststellen, daß  ich ‚Singen‘ aus meinem Leben streichen muß; was für mich nicht nur allein deshalb schmerzlich ist, weil ich eine gute Stimme hatte, sondern weil es auch ein kleines Erfolgserlebnis gewesen wäre, ein Akt der Befreiung und ein Ausdruck der Freude. Auch Ärzte halten Singen für eine sinnvolle und wirkungsvolle therapeutische Maßnahme. -  Somit ist eine Facette der Sprachlosigkeit – die ‚Singlosigkeit‘ - geblieben.
Und ebenso schlecht ist es darum bestellt, für den Letzten Lebensabschnitt  noch einen ‚Lebensbegleiter‘ zu finden; vor allem, wenn man – in dem Fall Frau – das Motto ausgibt: getrennt leben, gemeinsam erleben.  Ich wollte sehr wohl Krankenschwester werden, war aber in meiner Jugend ‚zu zart‘ dafür, es in meinem Alter vielleicht sein zu müssen, ist nicht mein Ziel. Schließlich sollte ja dieser Mann altersmäßig passen, also zumindest gleichalt sein. Der jedoch ‚nimmt‘ sich eine Jüngere, die er vermutlich auch bekommt, und ein Mann, der womöglich um einiges älter ist, wird eher in Richtung potentieller Krankenpflegerin Ausschau halten (müssen), und dafür habe ich weder Lust noch Kraft und schon gar nicht die dazu nötige Ausbildung. Ich muß selber schauen, wo ich bleibe und mit meinen Kräften haushalten, damit ich meinen Tagesablauf so lange wie möglich alleine schaffe und darüber hinaus vielleicht noch ein paar Reserven für angenehme Dinge des Lebens bleiben, wie etwa ein Theater-oder Opernbesuch – halt allein, was auch seine Vorteile hat. Ich arbeite grad dran.