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"Sprachlos sein. In doppelter Hinsicht.
Zum einen hat’s mir die Sprach‘ verschlagen ob der immer wieder
neuen ‚positiven Befunde‘, und dann nach ein paar Wochen
Bestrahlung war sie tatsächlich auch in physischer Hinsicht weg.
Dazu kam auch noch die Sprachlosigkeit meiner Freundinnen, die
angesichts der Tragweite meiner Krankheit nicht so recht wussten, wie
und was sie mit mir sprechen sollten. Nicht einmal sagte ich zu
ihnen: ihr könnt ganz normal mit mir reden, was sie dann erleichtert
annahmen. Aber wie gebe ich, wenn ich keine Stimme habe, einem Arzt
verbal Kontra, der mir in rüdem Ton meine Abwesenheit während
seiner Visite vorwirft, quasi, als würde ich mich kaffeetrinkend in
einem Nachbarzimmer herumtreiben? Wäre er an mir interessiert und
über mich informiert gewesen – schließlich war er ja derjenige,
der mir die Magensonde verpasste - hätte er wissen müssen, dass ich
zu dieser Zeit im dritten Stock unter der Erde eine weitere Qual der
Bestrahlung über mich ergehen lasse.
Und wie stelle ich es an, wenn ich zu
Hause nicht mehr bleiben kann, weil ich keine normale Nahrung mehr
aufnehmen kann und selbständig – in einem Single-Haushalt lebend
– nicht die Rettung rufen kann, um ins Krankenhaus gefahren zu
werden? Ich schreibe eine SMS an eine befreundete Familie im ersten
Stock des Hauses, in dem ich wohne, und bitte sie, zu mir in den
fünften Stock zu kommen, um für mich das Spital und die Rettung
anzurufen. Was aber, wenn niemand zu Hause gewesen wäre? In meinem
Stock sind wir nur zu zweit, und mein sonst sehr gefälliger Nachbar
war gerade auf Dienstreise. Eine Situation, die trotz allem einen
klaren Kopf verlangt, aber auch eine zusätzliche Belastung
darstellt. Und es gab einige solcher Situationen."