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Donnerstag, 1. Mai 2014

Meine Heilige des 1.Mai: Simone Weil




Die katholische Kirche hat sich ja Jahrzehnte schwer getan mit der internationalen Arbeiterbewegung. Der 1.Mai war lange ein "rotes Tuch" für viele Frommen, der Inbegriff
von wilden roten Horden, die den Glauben bedrohen. Nun, das hat sich zum Glück schon sehr geändert. Die christliche Soziallehre hat ein tiefes Verständnis für den Wert der Arbeit, für den Wert der Arbeitenden und der Forderung nach gerechten Löhnen und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen gebracht. Gerade heute ist es Papst Franziskus, der mit seinen warnenden Worten über den Kapitalismus "der töten kann", uns dankbar macht für all das, was es an positiven Entwicklungen in der Arbeitswelt gibt.

1955 hat die Kirche den heiligen Josef zum Patron der Arbeit ernannt - unser Heiliger zum 1.Mai.
Aber ich habe darüber hinaus eine persönliche Heilige für das, was Arbeit ist.
die französische Philosophin und Mystikerin  Simone Weil - 1909-1943 
sie ist die Tochter liberaler jüdischer Eltern, wächst wohlbehütet und großbürgerlich in Paris auf, arbeitet nach dem Studium als Philosophielehrerin an Schulen und engagiert sich gleichzeitig für die  Probleme der Arbeiterschaft.
Von 1933 bis 1935 arbeitet sie in einer Pariser Fabrik und kämpft später im spanischen Bürgerkrieg. Im Zweiten Weltkrieg bezieht sie in der Französischen Widerstandsbewegung Stellung gegen die nationalsozialistischen deutschen Besatzer. Sie verkehrt in atheistisch-existenzialistisch geprägten Kreisen ihrer Zeit , sieht sich selbst aber in Visionen zum Religiösen bekehrt.  Ihr Denken war von christlicher Mystik aber auch von platonischen und buddhistischen Einsichten geprägt, darüber hinaus auch von der jüdischen Tradition. Sie entwickelte das Konzept der „décréation“, der totalen Selbstentäußerung des Menschen vor Gott.1943 stirbt die Philosophin und Mystikerin im englischen Exil an den Folgen von Erschöpfung und Unterernährung. Hunger war durch viele Jahre ihres Lebens ein ständiger Begleiter. Schon in jungen Jahren hat sie gehungert, um nicht mehr Geld zu verbrauchen, als einem Arbeitslosen täglich zusteht. In ihrer Londoner Zeit wollte sie nicht mehr zu essen haben als die Landsleute im besetzten Frankreich. Daran und an ihrer Tuberkulose ist sie zugrunde gegangen.
Für Simone Weils philosophischen Blick war die Frage der Arbeit eine Menschheitsfrage. Die Befreiung der Fabrikarbeiter bedeutete ihr nicht eine Freiheit von den Umständen, sondern eine Freiheit innerhalb der Umstände. Der Mensch, der in Beziehung tritt zum Unabänderlichen, ist frei. Kein resignativer Fatalismus noch eine permanente Revolution bringen die Freiheit, sondern nur die Erfahrung des für das Menschsein Notwendigen und Unabdingbaren.
Als Simone Weil in der Fabrik arbeitete, hielt sie ihre Erfahrungen in einem "Fabriktagebuch" fest. Es sind Zeugnisse eines Alltags voll harter Arbeit zwischen Maschinen und Menschen 
Die eigene Würde kann im letzten nie zerstört werden: "Das Ertragen unvermeidlicher physischer und moralischer Leiden - gerade in dem Maße, wie sie unvermeidlich sind -, ist das einzige Mittel, um seine Würde zu bewahren. Aber Ertragen und Unterwerfung sind zweierlei." (Fabriktagebuch, S. 161) 
"Der Gewinn der Arbeit: ..ganz in seinem Innersten die Existenz der Welt spüren."
(Cahiers I, Aufzeichnungen, S. 64)
Simone Weil hat sich trotz ihrer tiefen mystischen Erfahrungen und auch intensivem Auseinandersetzen vor allem mit den christlichen Sakramenten niemals taufen lassen. Sie sah ihre Berufung als "christin außerhalb der Kirche" - vielleicht auch in Solidarität mit denen, die auch "außen" stehen.