Seiten

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Wie WIR geholfen haben - was war DAMALS anders?

über 1,6 Millionen Vietnamesen sind nach 1975, nach dem Ende des Vietnam Krieges und der Eroberung Südvietnams durch die Kommunisten in den Westen geflohen. 250.000 Menschen sollen dabei auf dieser Flucht in ihren kleinen, überfüllten Booten den Tod gefunden haben. Es sind die "boat people" - so wie wir heute von Gestrandeten aus Afrika und Syrien in Lampedusa sprechen.
Und doch hat sich seither so erschreckend viel geändert. Die vietnamesischen Flüchtlinge sind
zumeist mit offenen Armen aufgenommen worden. Auch hier in Österreich. Viele Pfarren haben engagiert Patenschaften übernommen, Einzelfamilien wurden betreut, leben teilweise noch heute bestens integriert in Österreich. Durch Zufall finde ich dieser Tage in einem Wiener Pfarrblatt einen "RÜCKBLICK" auf ein solches Flüchtlingshilfe-Projekt der 80er Jahre.
Dieter Bender war "einer von denen" - die gemeinsam mit anderen Pfarrmitgliedern - "angepackt" haben. Kann es ein VORBILD für HEUTE sein?  Hier sein Bericht


"1980 hat sich unsere Pfarrgemeinde auf ein Projekt eingelassen, das die Bereitschaft zu großzügigen Spenden voraussetzte. Es ging um die Übernahme einer Patenschaft für eine vietnamesische Flüchtlingsfamilie.

1975 endete der Vietnamkrieg und ein Flüchtlingsstrom großen Ausmaßes ergoss sich über reichere Länder der ganzen Welt. Das österreichische Innenministerium unter Minister Lanc und die Caritas unter Prälat Ungar erarbeiteten 1980 ein Patenschaftsprogramm folgenden Inhaltes. Wenn eine Pfarre für eine Familie eine Wohnung samt Ausstattung zur Verfügung stellt, für entsprechende Arbeitsplätze sorgt und die finanziellen Mittel für einen Übergangszeitraum aufbringt, (also aus dem Budget keine direkten Zahlungen erforderlich sind) erhält die Familie den Status anerkannter Flüchtlinge mit allen damals verbundenen Rechten.

Die Gemeinde hatte beschlossen, sich an diesem Projekt zu beteiligen. Binnen kurzer Zeit hatten wir über 200.000 Schilling Startkapital gesammelt (weit käme man mit ca. 15.000 Euro heute nicht mehr), neben einer Reihe von monatlichen Daueraufträgen. Eine Mietwohnung hatten wir bald gefunden (die Maklerin verzichtete sogar auf ihre Provision). 

Am 28. März 1980 holten wir „unsere“ Familie aus dem Sammellager in Retz ab, in dem sie die letzten Monate verbracht hatte. Sie bestand aus fünf Frauen. Einer 51 jährigen Mutter von drei Töchtern (33, 30 und 17 Jahre) und einer 10jährigen Enkelin. Die zugehörigen Männer waren in Vietnam zur Umerziehung verschickt worden und seither verschollen

Die Arbeitsplatzsuche war ein großes Problem. Nur für die Mittlere der drei Töchter fand sich rasch eine Stelle bei der Werkzeugfirma Huber. Die 17-jährige konnte ab dem Sommer als Lehrling im Friseurladen eines  Gemeindemitglieds arbeiten, für die älteste Tochter erhofften wir die Möglichkeit einer Heimarbeit und die Familienmutter konnte krankheitsbedingt nur kurze Zeit in einem Krankenhaus arbeiten. Die Einkünfte der Familie waren demnach gering und konnten die Kosten für die Wohnung und das tägliche Leben über lange Zeit nicht decken. Doch wir hatten genug Geld und Sachspenden gesammelt, um die Wohnung einzurichten und den vier Frauen und dem Kind ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. 
 
Doch es ging nicht nur um die materielle Unterstützung. Ein Betreuungsteam aus Angehörigen der Gemeinde sorgte für einen regelmäßigen Deutschunterricht, für Hilfestellung bei allen anfallenden Problemen mit Behörden und des Alltags, die sich für diese Menschen in einer für sie völlig neuen Welt ergaben. Mit den anderen Haus Mietern, die zum Teil die Fremdlinge mit scheelen Augen wahrnahmen, traten wir in intensiven Kontakt, was sich letztlich für alle Seiten positiv auswirkte.


 die betreute vietnamesische Familie, 
ein altes Foto aus der Pfarrchronik

Unsere Schützlinge waren fröhliche Menschen, offen für das Neue, dem sie sich stellen mussten. Nach wenigen Jahren standen sie voll und ganz auf eigenen Füßen, erlebten Freuden und Leid, wie andere Menschen in unserem Land auch und fühlten sich zu Hause. Über Jahrzehnte verband sie Freundschaft mit ihren damaligen Betreuern, von denen einige bereits verstorben sind. Meine Frau und ich hatten vor ca. 2 Jahren bei einem Wohnungseinweihungsfest zum letzten Mal Kontakt mit ihnen.

Es war der persönliche Einsatz einiger Gemeindemitglieder und die Bereitschaft Vieler zur großzügigen finanziellen Unterstützung, die diese humanitäre Hilfe zu einem Erfolg geführt hat. (Nicht alles Geld benötigten wir für diese Flüchtlingsfamilie, und ein paar Daueraufträge laufen dankenswerter Weise bis heute. Auch andere Flüchtlinge haben davon profitiert..) 

Schließen möchte ich aber mit einer kleinen, netten Geschichte, die auch die sprachlichen und interkulturellen Schwierigkeiten im Integrationsprozess verdeutlichen kann.

Bei ihrem Chef und den KundInnen war die junge vietnamesische Friseurin sehr beliebt und alle nahmen an, dass sie die Lehrabschlussprüfung ohne weiteres schaffen würde. Doch es kam anders. Die praktische Prüfung war kein Problem, doch bei der mündlichen habe sie auf keine Frage eine Antwort gegeben, erfuhr ihr Chef. Nach dem Grund befragt schwieg sie bockig mit finsterem Gesicht. Es wurde meine Aufgabe, möglichst um Aufklärung zu sorgen. Wir arbeiteten beide in der Innenstadt, also lud ich sie in einer Mittagspause zu einem gemeinsamen Essen ein. Als die Stimmung locker und heiter war, fragte ich sie, warum sie bei der Prüfung keine Antworten gegeben hätte. Zuerst sah sie mich düster an und flüsterte dann mit gesenktem Kopf: „Alle haben mich ausgelacht, die Lehrlinge und die Prüfer. Da konnte ich nicht mehr reden.“ Mir war klar, sie hatte ihr Gesicht verloren, aber was konnte der Auslöser gewesen sein? Ich fragte sie, was sie wohl gesagt habe, bevor sie ausgelacht wurde. „Ich habe über Massage reden sollen.“ (Im Zusammenhang mit der Behandlung der Kopfhaut eine durchaus korrekte Frage.) Als sie das Wort „Massage“ aussprach, musste ich alle meine Beherrschung aufwenden, um nicht ebenfalls zu lachen. Es klang so: “Ma Schaas“. Ich erklärte ihr, dass dieses Wort in ihrer Aussprache eine ganz andere Bedeutung habe und man darüber wirklich lachen müsse, sie also nicht ausgelacht wurde. Ich würde es ihr nach dem Essen erklären. Es fiel mir nicht leicht, diesem 17-jährigen Mädchen dezent klar zu machen, was sie gesagt hatte. Doch als es mir beim anschließenden Weg durch die Kärntnerstraße gelang, blieb sie abrupt stehen, sah mich an und lachte, lachte, lachte. In diesem Lachen lag die ganze Erleichterung, die es ihr erst ermöglichte, die Prüfung zu wiederholen, die sie dann mit Bravour schaffte."

 und noch ein PS. Im Gespräch mit Herrn Benda erwähne ich die vietnamesische Familie, die damals wohl ungefähr zur gleichen Zeit im erzbischöflichen Palais bei Kardinal König wohnte. Auch eine kinderreiche Familie, ich sehe die Kleinen noch herumwuseln.
Herr Benda lacht: "Sie werden es nicht glauben: der Sohn dieser Familie hat eine Tochter "unserer" Familie geheiratet"
 "die Kinder des Kardinals" 
steht unter diesem Foto der ORFTVthek

Ja, Happy End
warum schaffen wir es nicht mehr für die "NEUEN FLÜCHTLINGE????

PS mehr zu den "Kindern des Kardinals": http://anschnallenoderloslassen.blogspot.co.at/2014/10/unter-einem-dach-fluchtlingskinder-und.html