Eine Studentin ist da für einen
kleinen Videoclip. Am Ende sagt sie: „Jetzt müssen sie sich aber
noch mit ein paar Worten vorstellen. Wer sind sie...?“
Wer ich bin? Du meine Güte, sag ich,
wie soll ich das wissen.
Je älter ich bin, desto weniger weiß
ich es. Wer ich BIN?
ICH?
BIN ich das Kind von „damals“
BIN ich das Mädchen, die junge Frau
BIN ich die Studentin, die Journalistin
BIN ich das,was ich gearbeitet habe
BIN ich die Frau, die Mutter
BIN ich
liebevoll,zornig,engagiert,ratlos...
BIN ich die, die sucht
WEN sucht?
SICH sucht
SICH SELBST sucht
so viele ICHs gibt es – wo ist das
SELBST?
ICH SELBST
"Wir sehen jetzt durch einen
Spiegel, ein dunkles Bild;
dann aber werden wir sehen von
Angesicht zu Angesicht"
In einem seiner Romane erzählt der
griechische Schriftsteller Nikos KAZANTZAKIS von blinden Menschen in
einem Dorf. Eines Tages kommt ein großer König mit seinem Heer
vorbei. Er reitet auf einem gewaltigen Elefanten. Neugierig nähern
sich die Blinden dem Tier, um es zu berühren. Einer von ihnen packt
den Elefanten am Rüssel, ein anderer am Fuß, ein Dritter an der
Seite. Einer faßt das Ohr, und wieder ein anderer läßt sich auf
dem breiten Rücken des Elefanten nieder. Als sie später
austauschen, was sie erlebt haben, liegen ihre Schilderungen weit
auseinander. Für den einen war es ein Schlauch, der sich bewegte.
Ein anderer meinte, eine mit Haut und Haaren bekleidete Säule vor
sich zu haben. Der Dritte sprach von einer Festungsmauer, der Vierte
von einem dicken Teppich, der sich bewegt, wenn man ihn anfaßte. Der
letzte schließlich sagt: "Was redet ihr für Unsinn? Es ist ein
gewaltiger Berg, der sich bewegt." Die Blinden beziehen sich
auf ein und dieselbe Wirklichkeit. Aber alle haben sie ein anderes
Bild von dieser Wirklichkeit. Wer von ihnen hat recht? Welches Bild
entspricht der Wirklichkeit wirklich?
Wer BIN ich?