Die Frau am Jakobsbrunnen gehört zu
meinen Lieblingserzählungen im Evangelium.
Ja, die Frau gefällt mir. Ich stelle
sie mir groß und hübsch und stark vor, unerschrocken und sehr
lebendig, keine Frau, die ängstlich ihren Kopf verhüllt,wenn ein
Fremder sie anspricht. Sie hat ein gutes Mundwerk und es macht ihr
Spaß, jemand heraus zuforden. Vor Männern hat sie keine Angst...ihr
gefällt der Fremde am Brunnen und als er sie um Wasser bittet,
schäkert sie ein bißchen mit ihm. "Du, sagt sie zu ihm, du bist doch
ein Jude und du siehst dass ich eine Samariterin bin, keine Jüdin,
warum willst du was von mir? Ist das bei euch nicht verboten?" Sie ist
keck und ich denke,sie flirtet ein bißchen. Später werden wir hören, dass sie
Erfahrung mit Männern hat …. vermutlich gefällt ihr auch dieser
Fremde am Dorfbrunnen …
und Jesus? Auch er ist anders, als die
Anderen
er ist müde und durstig, kein
Superhero
er braucht jemand, der ihm hilft
er spricht unbefangen jemand an, der
eigentlich zu einer religiösen Gruppe gehört, mit der Juden keinen
Umgang haben
er spricht eine Frau an
er bittet um etwas
er tritt nicht herrisch und arrogant
auf
er läßt sich auf sie ein
auf ihren kleinen Flirt, auf ihre
kleine Provokation antwortet er ernsthaft
sie ist ihm als Frau nicht zu blöd für
eine Auseinandersetzung
er spielt sein Wissen um sie nicht als
Trumpf aus: ja, du hast nicht einen Mann, du hast viele
er beschämt sie nicht
sie muss nicht vor ihm davonlaufen,
weil er ihr Angst macht mit seinem Wissen
das Gespräch wird offener und tiefer
Jesus kann von sich selbst sprechen, Ja, ich bin der Messias, sagt er
da läßt die Frau ihren Wasserkrug
fallen und läuft ins Dorf: alle sollen kommen und sehen, hier ist
der Messias. Sie, die Frau am Brunnen hat mehr verstanden als die
Jünger, die seit Monaten mit ihm herumziehen. Eine Frau, vielleicht eine
Prostituierte, ist seine Apostolin …
sie versteht und hat keine
Scheu sich zu blamieren
Am Ende der Geschichte denke ich mir
immer: und wann bekommt Jsus jetzt endlich zu trinken????
Zwei Kerngedanken bleiben für mich
auch
wie gut das ist, man muss keine Angst
haben, wenn Jesus einen durchschaut bis dorthin, wo man vielleicht
nicht einmal noch selbst hingeschaut hat. Er beschämt mich nicht, er
läßt sich mit mir ein – ich muss nur auch auf ihn eingehen
und noch etwas lerne ich: wie komme
ich mit Menschen ins Gespräch. Respektvoll und immer
auf gleicher Höhe … Jesus,nicht der
große Dozierende, er hockt am Brunnenrand ….
Ja und dann will ich auch nicht
vergessen, dass er ja noch Durst hat, dass er um Wasser gebeten hat.
Das muss ICH ihm auch noch geben