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Donnerstag, 16. Juli 2015

SDS Salvatorianer 19 - die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar

...am 17.März 1959 sagte das die große österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann in ihrer Dankesrede für die Verleihung des "Hörspielpreieses für Kriegsblinde" im damaligen deutschen Bundestag in Bonn. 
"Wie der Schriftsteller die anderen zur Wahrheit zu ermutigen versucht durch Darstellung, so ermutigen ihn die andren, wenn sie ihm, durch Lob und Tadel, zu verstehen geben, daß sie die Wahrheit von ihm fordern und in den Stand kommen wollen, wo ihnen die Augen aufgehen. 
Die Wahrheit nämlich ist dem Menschen zumutbar."  
Werke Band 4 (Essays usw.). Piper 1978, S. 277

ob ich mich jetzt beim Thema geirrt habe?
Was soll das mit den Salvatorianern zu tun haben?

Für mich, die journalistische Leserin der Pater Jordan Biografien, gibt es zwei "Helden der Wahrheit" in der Aufarbeitung der Ordensgeschichte.
Einer ist für mich der schon verstorbene Salvatorianerpater Tharsitius Wolff  (1880-1970)
Ein Zeitzeuge der dramatischen Ordensgeschichte rund um den Rücktritt des Ordensgründers im Oktober 1915 in Fribourg.
                                                                                            Foto: © Provinzarchiv der Salvatorianer, Wien 

 
Wolff galt als enger Vertrauter von Pater Jordan. Ihn hatten hochrangige Mitbrüder fast überfallsartig vor Beginn der wichtigen Beratungen gebeten, P.Jordan zu einem freiwilligen Rücktritt zu überreden. Nach einigem Zögern hat Wolff es wirklich getan - und bewertet das 50 Jahre später in seinen ausführlichen Memoiren kritisch:
"Heute,nachdem ich ein langes Leben hinter mir habe ..frage ich mich oft, ob es nicht besser gewesen wäre, ich hätte doch abgelehnt. Denn es will mir scheinen, als hätten doch auch viele weltliche und nicht allein über-natürliche Gründe dabei mitgespielt."
Das heißt, die klerikale Sprache übersetzt:
also da war weniger der Wille Gottes am Werk
als ganz andere handfeste Interessen ....

Für Pater Wolff,
so meint der Ordens-Historiker: Pater Peter van Meijl, derzeit Pfarrer der Michaelerkirche in der Wiener Innenstadt, "für Pater Wolff wurde dieser Rücktritt des Ordensgründers zu einer Gewissensfrage, die ihn drückte. Er selber spielte eine wesentliche Rolle in der Entscheidungsfindung von Pater Jordan, die der Ordensgemeinschaft der Salvatorianer überhaupt nicht bekannt ist. Habe ich mich wohl richtig verhalten?, scheint Pater Wolff sich 50 Jahre (danach) zu fragen ("Wenn das GEHEN kommt" S 30f)

Pater Dr.Peter van Meijl,

und damit ist er für mich der zweite Held der Wahrheit,
thematisiert die Umstände rund um diesen Rücktritt des Ordensgründers sehr ausführlich und historisch belegt - SOWEIT es Belege gibt.
Denn auch das ist ein Problem. Außer die selbst auf Band gesprochenen Memoiren von P.Tharsitius Wolff  gibt es keine detaillierte Darstellung der Geschehnisse
"Über ein Thema, worüber man wenig gesprochen hat, wird auch wenig veröffentlicht" , konstatiert der Historiker nüchtern.

In seinem schmalen Büchlein "Wenn das GEHEN kommt" rührt Pater Peter mit diesem Thema - so sehe ich es -  an eine Tabu der Ordensgeschichte, das aber auch für die Gegenwart Bedeutung haben kann. "Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar"

ALSO: wie war das?
Der Rücktritt des Ordensgünders?
Die Umstände dieses an sich nicht freiwilligen Schrittes?
Was ist da im Hintergrund gelaufen?
Wer aller war involviert in dieses - ja sicher von längerer Hand geplante - Geschehen?
Wie sehr etwa hat der Vatikan mitgemischt?
Wie lange schon schwelen an der Ordens-Basis Unzufriedenheit
und Reformbestrebungen?
UND
vielleicht noch viel brisanter:
Wie lange schon ist der Ordensgründer selbst mit der Entwicklung in seinem Orden nicht mehr zufrieden?
Welche Pläne trug P.Jordan schon längst heimlich mit sich herum, sprach sie nur da und dort mit den wenigen Vertrauten an?
Ja, an eine Ordens-Neugründung dachte er ganz konkret.
Was lief nicht mehr in seinem Sinn?
Wo sah P.Jordan sein Werk gefährdet?
Sah er es zu Recht gefährdet?
Ging manches den Bach hinunter?
Wie und warum? Oder doch nicht.
War es nur eine isolierte Selbstwahrnehmung P.Jordans,
der als Ordensgründer nicht wahrhaben will, dass "Dinge" im Fluss sind,
sich ändern müssen und ändern können?
Sind die jungen Priester, die Änderungen wünschen, wirklich "Abweichler"?
Es gab auch einige Austritte "Unzufriedener" - hätte man sie halten können?
Muss alles immer bleiben,wie es schon immer war?

Schon am 16.12.1898 sagt Pater Jordan in einer Ansprache an Salvatorianerpatres:  
" Ich kenne sie, die Gesellschaft, und Sie müssen nicht glauben, dass es jemals eine Zeit geben wird....dass auch in Zukunft nicht einige Lottrige drinnen sein werden; es ist das menschliche Gebrechlichkeit..."
17 Jahre ist da der Orden erst jung, und Pater Jordan sieht einiges schon mit Mißvergnügen.
Hat der Ordensgünder Recht - hat er nicht Recht?

Als Pater Jordan am  8.10.1915 letztendlich FREIWILLIG zurücktritt - als ihm klar wird, dass die Mehrheit der Mitbrüder diesen Schritt wünscht - da lag die Ordensgründung erst 34 Jahre zurück.
"In Demut" habe sich P.Jordan, "der ehrwürdige Vater", zurückgezogen, wird es danach heißen -
aber welches Drama mag sich in ihm abgespielt haben?
Wie "ahnungslos" sind die anderen Akteure bei diesem 3.Generalkapitel -
hier im Bild drei Patres am Rande  dieser wichtigen Ordens-Konferenz


Foto: © Provinzarchiv der Salvatorianer, Wien

Könnte man nicht auch sagen - lassts doch die alten Geschichten ruhen!
Im September 1918 ist P.Jordan gestorben - er wird sich innerlich versöhnt haben.
Auch das Loslassen war wichtig für ihn - das bleibt keinem erspart.
Und doch: sich die Wahrheit zuzumuten - das ist nicht verjährt.
Back to the roots - ja, JEDER Wurzel muss man nachgehen

ps 
mit Dank an Herrn Robert Passini für die zur Verfügung gestellten historischen Fotos aus dem Provinzarchiv der Salvatorianer,Wien