Adalbert Krims, Eine Geschichte vom AUFBRUCH.
Nicht nur "persönlicher Aufbruch", es war die Zeit eines großen gesellschaftlichen Aufbruchs.
Auch Aufbruch in der katholischen Kirche. Die Zeit ab 1964. Das 2.vatikanische Konzil hat Fenstern und Türen geöffnet: Christentum muss sich engagieren, muss verändern, muss an der Seite der Armen sein. In Lateinamerika die Theologie der Befreiung - hier bei uns war es der Ansatz "Christentum und Sozialismus" - Bruno Kreisky - auf Seiten der Sozialdemokraten - und Kardinal König,auf Seite der katholischen Kirche in Österreich - haben es möglich gemacht, in den 70er Jahren das Gemeinsame über das Trennende zu stellen.Mit Bruno Kreisky konnten viele engagierte Katholiken ein Stück dieses Weges gehen - es war eine Zeit großer Hoffnungen und Aufbrüche.
Adalbert Krims ist für mich untrennbar mit diesen Wegstrecken verbunden.
Ich habe ihn in diversen Diskussionen und Foren erlebt - ich habe ihn als Kollegen viele Jahre später im ORF wieder getroffen - und ich bin ihm in den unergründlichen Weiten des facebooks wieder begegnet: und ich glaube, das war so ziemlich das Erste worauf ich ihn angesprochen habe:" Adalbert ich möchte wieder dein "Kritisches Christentum" abonnieren ... endlich wieder ein Stück "altes zu Hause" ...empfehle es sehr. Mehr dazu gleich im Beitrag
aber jetzt: Adalbert - mit seinem eigenen Bericht von AUFBRUCH und AUFBRÜCHEN
Liebe Ilse!
Gerne komme ich Deiner Bitte nach,
Persönliches zum Thema „Aufbrechen“ für Deinen Blog zu
schreiben. Wir haben uns – glaube ich – in der zweiten Hälfte
der 1970er Jahre kennengelernt, rund um die inzwischen nicht mehr
existierende SOG (Solidaritätsgemeinschaft engagierter Christen).
Diese Gruppe entstand im Rahmen eines innerkirchlichen Aufbruchs nach
dem Zweiten Vatikanischen Konzil.
Mein „Aufbruch“ begann schon
früher, d. h. es waren eigentlich mehrere. Der erste war wohl, dass
ich im Jahre 1962 nach Absolvierung der 4. Klasse Gymnasium in meiner
Heimatstadt Freistadt nach Linz in die Handelsakademie ging. Ich
glaubte damals, die Wirtschaft würde mich mehr interessieren als das
traditionelle Gymnasium. Der Handelsakademie verdanke ich u. a.
schnelles Rechnen und vor allem perfekte Maschinschreibkenntnisse,
die ich auch im Computerzeitalter noch brauchen kann. Ansonsten kam
ich zu der Überzeugung, dass „die Wirtschaft“ jedenfalls nicht
meine berufliche Zukunft sein kann.
Nach der Matura sollte ein Studium
folgen – ich schwankte zwischen Jus und Theologie, wählte dann
aber Sozialwirtschaft an der neugegründeten Linzer Hochschule. Neben
(oder besser: statt) dem Studium engagierte ich mich in der
Katholischen Studierenden Jugend (KSJ) und wurde dort dann auch als
hauptamtlicher Diözesansekretär angestellt. Es war damals die Zeit
des innerkirchlichen Aufbruchs – und ich meinte, jetzt sei vieles
(wenn nicht alles) möglich.
2. Bundestreffen der KSJÖ in Salzburg, Ende Mai 1965 (mit Ridi Siegl, der damaligen Diözesansekretärin.) Adalbert war damals „Gebietsführer“ von Linz und beim Treffen auch Ordner – mit Schleife
Doch sehr bald stieß ich an die
innerkirchlichen und politischen Grenzen. Konservative Kreise aus
Kirche und ÖVP machten gegen mich mobil (ich war inzwischen auch
„Chef“ der gesamten Katholischen Jugend von Oberösterreich) –
und ein Brief des ÖVP-Landeshauptmannstellvertreters an den
Diözesanbischof führte schließlich zu meinem unfreiwilligen
Ausscheiden aus dem kirchlichen Dienst.
(Landeshauptmann-Stellvertreter und ÖVP-Obmann Erwin Wenzl schrieb damals einen Brief an Bischof Zauner, in dem er die rhetorische Frage stellte, ob solche Leute wie Krims in führenden kirchlichen Laienfunktionen tragbar sind. Auslösendes Moment war ein Leitartikel, den ich drei Wochen vor der Nationalratswahl 1970 im „Linzer Tagblatt“ schrieb. Thema: „Kirche und Politik“. Kurz gefasst schrieb ich, dass die Kirche sich zwar nicht in die Parteipolitik einmischen solle, dass sie sich aber auf die Seite der Armen und Entrechteten stellen und dadurch politisch sein müsse. Für Wenzl war das eine Wahlkampfhilfe für die SPÖ, was Funktionären der Katholischen Aktion in Wahlkampfzeiten verboten sei. Aber dem waren natürlich schon mehrere Konflikte vorhergegangen, vom Pflichtzölibat über die mangelnde demokratische Struktur in der Kirche bis hin zur Frage der Wehrdienstverweigerung und des Bundesheeres insgesamt (damals gab es ja noch keinen Zivildienst. Wir als KSJ-OÖ. waren die erste kirchliche Organisation, die öffentlich einen „Alternativdienst“ forderte!)
(Landeshauptmann-Stellvertreter und ÖVP-Obmann Erwin Wenzl schrieb damals einen Brief an Bischof Zauner, in dem er die rhetorische Frage stellte, ob solche Leute wie Krims in führenden kirchlichen Laienfunktionen tragbar sind. Auslösendes Moment war ein Leitartikel, den ich drei Wochen vor der Nationalratswahl 1970 im „Linzer Tagblatt“ schrieb. Thema: „Kirche und Politik“. Kurz gefasst schrieb ich, dass die Kirche sich zwar nicht in die Parteipolitik einmischen solle, dass sie sich aber auf die Seite der Armen und Entrechteten stellen und dadurch politisch sein müsse. Für Wenzl war das eine Wahlkampfhilfe für die SPÖ, was Funktionären der Katholischen Aktion in Wahlkampfzeiten verboten sei. Aber dem waren natürlich schon mehrere Konflikte vorhergegangen, vom Pflichtzölibat über die mangelnde demokratische Struktur in der Kirche bis hin zur Frage der Wehrdienstverweigerung und des Bundesheeres insgesamt (damals gab es ja noch keinen Zivildienst. Wir als KSJ-OÖ. waren die erste kirchliche Organisation, die öffentlich einen „Alternativdienst“ forderte!)
Es folgte wieder ein mit Ortswechsel
verbundener Aufbruch. Im September 1970 begann ich als Redakteur des
„Neuen Forum“ in Wien. Günther Nenning wollte das Blatt in eine
Wochenzeitung umwandeln, womit er jedoch finanziell scheiterte.
Nenning schrieb seine damaligen Redakteure (u. a. auch Trautl Brandstaller)
„zum Verkauf“ aus. Für mich interessierte sich damals Bruno
Kreisky, seit einem Jahr Bundeskanzler, der mich in dem von ihm
gegründeten und präsidierten „Wiener Institut für
Entwicklungsfragen“ anstellen ließ. „Gehen’S einmal ein halbes
Jahr in das Wiener Institut, dann werden wir weitersehen“. Aus dem
halbjährigen Provisorium wurden dann 16 Jahre.
als Diskussionsleiter von links: mit Omar
Al Rawi (SPÖ-Gemeinderat) Munar
Duzdar (SPÖ-Gemeinderätin) Erwin
Lanc (ehem. Außenminister)
Entwicklungspolitik beschäftigte mich
jedoch nicht nur beruflich, sondern auch privat. Ich war u. a. bei
der Gründung der „Chile-Solidaritätsfront“ 1973 sowie der
„Anti-Apartheid-Bewegung“ 1976 dabei.Und ich gründete 1976
gemeinsam mit FreundInnen die Zeitschrift „Kritisches Christentum“,
damals als Monatszeitschrift, später 5 x jährlich, die immer noch
existiert (kostenlose Probeexemplare unter akc@aon.at).
Kulturministerium
in Managua im Juli 1987: der damalige Kulturminister Ernesto Cardenal
liest im „Kritischen Christentum“ – flankiert von Herbert
Berger und Adalbert Krims
Wesentlich inspiriert wurde und wird diese Zeitschrift u. a. von der Befreiungstheologie. Im Untertitel heißt die Zeitschrift „Beiträge zu Kirche und Gesellschaft“ – und um diesen Zusammenhang ging und geht es mir immer: Kirche und Gesellschaft, Christentum und Politik, und zwar in einem befreienden Sinn. Das besagt ja wohl auch die traditionelle Definition: „Die Kirche ist Zeichen und Werkzeug des Heils“ (genauer gesagt: sollte sein).
und heutigem namibischen Päsidenten Pohamba in Luanda
Nach dem Ende – bzw. der „Umgründung“
– des Wiener Instituts für Entwicklungsfragen kamen für mich
einige turbulente Jahre (und sogar gleich mehrere „Aufbrüche“),
die von zeitlich befristeten Anstellungen und Arbeitslosigkeit
zwischendurch gekennzeichnet waren. 1991 entschied ich mich für eine
freiberufliche Existenz, für die ich zwei Standbeine hatte: einen
Konsulentenvertrag mit dem Bundeskanzleramt
(Entwicklungszusammenarbeit) sowie freier Mitarbeiter bei Radio
Österreich International, dem Auslandsradio des ORF. In den
folgenden Jahren konnte ich meine Radiotätigkeit ausbauen, wurde
auch dreimal als Karenzvertretung befristet angestellt. Von 1998 bis
zu meiner Pensionierung 2011 war ich dann voll angestellter
ORF-Redakteur, wobei ich nach der Einstellung des ORF-Auslandssenders
mit 1. Juli 2003 in die Religionsabteilung des Hörfunks
übersiedelte.
Abschiedgeschenk von der ORF Religionsabteilung
Ja, das ist – kurzgefasst – meine berufliche Lebensgeschichte, die viel mit Auf- und Umbrüchen zu tun hatte. Obwohl ich über die gesellschaftspolitische Entwicklung sehr besorgt – manchmal auch deprimiert – bin, habe ich die Hoffnung (noch) nicht aufgegeben. Denn es gibt immer wieder auch positive Zeichen, sogar in der katholischen Kirche. Auch Facebook ist für mich oft ein Ärgernis, dann aber auch wieder eine Möglichkeit, ähnlich denkende und engagierte Menschen zu finden und mich mit ihnen auszutauschen. Und immer wieder stoße ich auch auf „Menschen von früher“, zu denen ich vielleicht ohne FB den Kontakt verloren hätte (letztlich gehört auch Ilse dazu).
Aber es stimmt schon, was meine Frau
immer kritisiert: Ich verbringe zu viel Zeit im Facebook. Zum Glück
hat es diese virtuelle Welt während meiner Berufstätigkeit noch
nicht gegeben, denn ansonsten hätte ich wohl meine vielen
außerberuflichen Aktivitäten zeitlich nicht geschafft. Der Vorteil
der Pension ist ja, dass man zwar nicht mehr Zeit hat, diese
aber selbst einteilen kann.
Neben der Redaktion von „Kritisches Christentum“ gehöre ich seit Herbst 2011 auch dem Vorstand von Pax Christi Österreich an, was für mich eine Weiterführung meines bisherigen Engagements für Frieden, Gerechtigkeit und Schöpfungsverantwortung darstellt.
Neben der Redaktion von „Kritisches Christentum“ gehöre ich seit Herbst 2011 auch dem Vorstand von Pax Christi Österreich an, was für mich eine Weiterführung meines bisherigen Engagements für Frieden, Gerechtigkeit und Schöpfungsverantwortung darstellt.
Danke, liebe Ilse für die Einladung in
Deinen Blog – und liebe Grüße! Adalbert
Adalbert, und ich danke DIR: ich hab deinen Beitrag mit großem Genuss in den blog gestellt: Du hast mir ein Stück Erinnerung (zurück)geschenkt.