es ist nach Mitternacht. Mit meinen Kindern Jakob und Julia (bald Schwiegertochter) fahre ich mit dem Taxi von der Innenstadt nach Hause. Familienfest - standesamtliche Trauung der Tochter ...wir sind noch ganz beschwingt, auch müde .... beim Taxler schrecke ich hoch! Eine bellende fast unverständliche Stimme, den "Ausländerakzent" kann ich nicht erkennen, er scheint sich auch ein paar Mal zu verfahren .. du meine Güte denke ich mir, ist der betrunken? Wir schweigen alle angespannt. Da sagt der Mann - sicher an die 70: "wissens ich hab Kieferhöhlenkrebs" gehabt ....
drum rede ich so". Vor einem Jahr war die letzte Operation, er wirkt nicht verbittert, ist dankbar, dass er keine Schmerzen hat, Taxifahren will er, solange es geht. "Krebs hat man halt", sagt er ....
vor 18 Jahren hat er zum letzten Mal geraucht. Ich erinnere mich sofort an meine Freundin Irmgard, Zungenuntergrundkarzinom, nie geraucht, nie getrunken.
Heute früh finde ich im mail - völlig überraschend - eine neue Geschichte von ihr.
Nein auch sie hat sich mit dem Krebs nicht versteckt.
Irmgard ist mit ihrer LEIDENSgeschichte sogar zu so etwas wie einer Werbetägerin geworden,
hilft mit ihrem Schicksal Anderen.
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‚Werbeträgerin‘ für ein Krebsrehabilitationszentrum.
Ist
es zulässig, diese beiden Begriffe in einem Atemzug zu nennen? Darf
ich mich als ‚Betroffene‘ selbst so bezeichnen, bzw. als Werbeträgerin
titulieren lassen; wo doch Werbung mitunter negativ besetzt ist oder als
lästig empfunden wird und immer einen kommerziellen Anstrich hat.
In
Ermangelung eines ‚besseren Ausdrucks‘,ja. Und ich stehe dazu. Denn
diese Werbung verfolgt -ohne irgendeinen kommerziellen Gedanken – nur ein
positives Ziel: an Krebs erkrankte Menschen auf eine Institution
aufmerksam zu machen, wo ihnen mit Achtsamkeit begegnet wird, ihre
Probleme ernst genommen werden und mit medizinischen und therapeutischen
Mitteln versucht wird, sie in ein ‚normales Leben‘, in ihren Alltag
zurückzubegleiten. Und das alles am Beispiel meines eigenen Schicksals.
Zweimal
Zungengrundkarzinom, und nach dem zweiten Mal dreißig Bestrahlungen,
die im Februar 2011 abgeschlossen waren.
Bereits im April besuchte ich
zum ersten Mal den Sonnberghof Bad Sauerbrunn, beschloss drei Wochen zu
bleiben und verlängerte eine weitere Woche, denn das Gebotene tat gut. Nicht nur die Behandlungen, nicht nur die Therapeuten und Menschen im Rehab-Zentrum, auch "das Ambiente" ist zum Rundumwohlfühlen
Kurz darauf wurde ich vom Ärzteteam gefragt, ob ich bereit wäre, in
einem Fernsehbeitrag für ‚bewusst gesund‘ über meine Krankengeschichte
zu sprechen, um mit dem gelungenen Verlauf meiner fortschreitenden
Rehabilitation Betroffenen Mut zu machen und ihnen den Schritt ‚vom
Überleben zum Leben‘ etwas zu erleichtern. Im September wurde einen Tag
lang im Sonnberghof gedreht, im November wurden komprimierte sieben
Minuten, entstanden aus unzähligen Einstellungen, gesendet.
Spätestens
ab diesem Zeitpunkt war klar, daß ich durch dieses Outing zu einer
‚öffentlichen Person‘ geworden bin, nicht, weil ich eine Misswahl oder
einen Preis gewonnen habe oder durch irgendein herausragendes Ereignis
öffentlich aufgefallen bin, sondern dadurch, daß ich bereit war, mit dem
Verlauf und der Bewältigung meines gesundheitlichen Schicksalsschlages
an die Öffentlichkeit zu gehen, zu meiner Erkrankung zu stehen und
Ansprechpartnerin zu sein für Betroffene, aber auch für Ärzte und
Therapeuten, einfach für alle, die das Gespräch mit mir suchen;
ja,
sehr wohl Werbeträgerin, aber für eine gute Sache.