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Samstag, 2. August 2014

in memoriam Barbara Prammer

                                                             Foto orf.at   Zita Kövar

1954 bis 2014

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) ist tot. Im September des Vorjahres 
erkrankte Prammer schwer, sie gab das der Öffentlichkeit bekannt, setzte ihre Arbeit im Parlament aber unbeirrt fort. Die beliebte Politikerin starb heute nachmittag zu Hause, im Kreis ihrer Familie im 61. Lebensjahr. Familie, das sind zwei Kinder, Sohn Bertram (41) Toichter Julia (31) Enkelkind Sophie und Prammers Geschwister. Prammer war geschieden.

Für mich war sie eine unglaublich integre Person, eine Sozialdemokratin wie aus dem Bilderbuch, engagiert, hinter die Sache zurücktretend, humanistisch, um Ausgleich bemüht und dennoch unbeirrbar in ihrer Ablehnung von Faschismus und Rassismus

Ihren 60. Geburtstag am 9. Jänner hatte Prammer noch mit einem Festakt im historischen Sitzungssaal des Parlament mit 470 Gästen gefeiert.


Seit 2006 war Prammer Chefin des Hohen Hauses. Bis zur Bekanntgabe ihrer Erkrankung galt Prammer lange Zeit - neben Sozialminister Rudolf Hundstorfer - als logische SPÖ-Kandidatin für die nächste Hofburg-Wahl.
Am 1. Juli waren Komplikationen aufgetreten, Prammer musste sich wegen einer Infektion in stationäre Spitalsbehandlung begeben und den Zweiten Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf (ÖVP) ersuchen, die Amtsgeschäfte zu führen.

Start in oberösterreichischer Landespolitik

Prammer wurde 1954 in Ottnang im Hausruckviertel (Oberösterreich) geboren. Die Politik lernte sie früh kennen. Ihr Vater war in der Kommunalpolitik aktiv. Nach der HAK-Matura studierte sie Soziologie, anschließend war die geschiedene Mutter eines Sohns und einer Tochter unter anderem im Arbeitsmarktservice als Frauenreferentin tätig.
1991 folgte der erste größere Schritt in die Politik, als Prammer in Oberösterreich Landtagsabgeordnete wurde. 1995 avancierte sie zur Landesrätin für Wohnbau und Naturschutz - als erste Frau in einer oberösterreichischen Landesregierung. Überregional bekannt wurde Prammer durch ihr Eintreten gegen den Bau des umstrittenen Traun-Kraftwerks Lambach.

Frauenministerin unter Klima

Spätestens ab dann galt Prammer als Zukunftshoffnung in der Partei. So holte sie dann auch Kanzler Viktor Klima (SPÖ) 1997 als Frauenministerin (und Ministerin für Konsumentenschutz) in sein Kabinett - Frauen politik vertrat Barbara Prammer zwar mit leiserer Stimme als ihre Vorgängerin Johanna Dohnal, aber nicht weniger beharrlich und mit inhaltlichem Nachdruck. In Prammers Amtsperiode fiel auch das Frauenvolksbegehren, das sie letztlich sogar selbst unterschrieb.
"Mehr Druck für sich selbst" sagte sie lächelnd.

                                                            Prammer mit Johanna Dohnal

Prammer übernahm auch den Vorsitz der SPÖ Frauen und war eine der wenigen prominenten Vertreterinnen der SPÖ, die auch nach der schwarz-blauen Wende in der Spitzenpolitik vertreten blieb. Sie nahm ihr Mandat im Nationalrat wahr und stieg nach dem Wechsel Heinz Fischers in die Hofburg zur Zweiten Nationalratspräsidentin auf, am 16.Juni 2004 - die damals formal höchste Position, die von der SPÖ vergeben werden konnte. Mit dem Wahlsieg der SPÖ beim Urnengang 2006 kletterte Prammer eine Stufe höher auf das Präsidentenamt.

Öffnung des Parlaments

Dass in ihr das Potenzial für ein Staatsoberhaupt schlummerte, zeigte Prammer in den vergangenen Jahren immer wieder. Mit Ausnahme ihrer Dauerfehde mit dem früheren Dritten Präsidenten Martin Graf (FPÖ) kam die eher im linken Flügel der SPÖ angesiedelte Präsidentin mit allen Fraktionen gut zurecht.

Sie trieb die Öffnung des Parlaments weiter voran. Vor allem Jugendliche für die Werte der Demokratie zu sensibilisieren, war ihr ein großes Anliegen - ihr Lieblingsprojekt Demokratiewerkstatt ist mittlerweile fix etabliert. Den Umbau des Hohen Hauses brachte Prammer trotz einiger Probleme und Verzögerungen auf Schiene. Und auch als Buchautorin trat Prammer in Erscheinung.
In ihrem Buch „Wer das Ziel nicht kennt, wird den Weg nicht finden“ schreibt sie:
 „Es ist das Wesen von Zielen, dass sie in der Zukunft liegen“.
Barbara Prammer hatte bis zuletzt noch viele Ziele

Bundespräsident Heinz Fischer zeigte sich erschüttert. "Die Nachricht erfüllt uns mit tiefster Traurigkeit", wurde Fischer am Samstagabend in einer Aussendung der Präsidentschaftskanzlei zitiert. "Barbara Prammer war eine der großen Frauenpersönlichkeiten im öffentlichen Leben unseres Landes und auch über die Grenzen unseres Landes hinaus bekannt und geschätzt. Sie war eine engagierte und unbestrittene Präsidentin des österreichischen Nationalrats, eine führende Sozialdemokratin und eine absolut integre Politikerin, der ich mich auch persönlich sehr verbunden fühlte", so der Bundespräsident weiter.

Faymann: "Große Demokratin"

"Barbara Prammer war eine bedeutende Sozialdemokratin, engagierte Frauenpolitikerin, große Demokratin und seit 2006 eine hervorragende Nationalratspräsidentin", so Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in einer ersten Stellungnahme. "Sie sah sich selbst als Kind der Kreisky-Zeit und hat nie aufgehört, an eine Zukunft zu glauben, in der soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit zur Selbstverständlichkeit geworden sind."
Als Kämpferin für die Gleichstellung der Frauen habe sie die Gesellschaft ebenso geprägt wie mit ihrem Engagement, junge Menschen für Demokratie und politische Mitsprache zu begeistern, so Faymann weiter. "Ganz besonders stark war ihr Eintreten für ein Miteinander in der Gesellschaft, gegen Verhetzung, Rassismus und Antisemitismus. Barbara Prammer war es ein großes Anliegen, dass die Gräuel des Nationalsozialismus, auch und besonders von jungen Menschen, nicht vergessen werden", meinte der Bundeskanzler.

"Über die Parteigrenzen hinweg für ihre Arbeit wertgeschätzt"

"Zeit ihrer politischen Laufbahn hat Barbara Prammer in verschiedenen Funktionen auf Landes- und Bundesebene gewirkt, in denen sie lösungs- und konsensorientiert für die Menschen in diesem Land gearbeitet hat", teilte Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) in einer Reaktion mit. Prammer sei "über die Parteigrenzen hinweg für ihre Arbeit wertgeschätzt worden".
Der ÖVP-Bundesparteiobmann unterstrich: "Barbara Prammer hat stets klare Positionen bezogen und sich als überzeugte Demokratin und Österreicherin durch ihre sachpolitische Arbeit ausgezeichnet." Die Nationalratspräsidentin hinterlasse eine große Lücke in der österreichischen Politik.

Glawischnig: "Prammer schenkte Hoffnung"

"Eine herausragende Persönlichkeit, eine glühende Demokratin und ein liebenswerter Mensch ist von uns gegangen", betrauerte die Grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig den Tod von Parlamentspräsidentin Barbara Prammer. Prammers Umgang mit ihrer schweren Erkrankung stehe sinnbildlich für ihre Lebenseinstellung und ihre Charakterstärke. "Selbst in ihrer persönlich schwersten Stunde hat Barbara alles unternommen, um anderen Menschen Hoffnung zu machen - und Hoffnung zu schenken. Sie hat ihr gesamtes Leben in den Dienst der Menschen gestellt", ergänzte Glawischnig.
NEOS-Klubobmann Matthias Strolz erklärte, mit Prammer verliere das Parlament einen "bis zuletzt aufrecht kämpfenden Menschen, dem weit über die Parteigrenzen hinaus Respekt und Ankerkennung entgegengebracht wurde." Tief betroffen zeigte sich auch Team Stronach-Klubobfrau Kathrin Nachbaur: "Ich habe sie als Kämpferin kennengelernt - für Parlamentarismus, für die Frauen, für ihre Sozialdemokratie - und für das Leben. Leider hat sie diesen ihren Kampf nicht gewinnen können."

Kopf: "Große Staatsfrau"

"Österreich verliert mit Präsidentin Prammer eine große Staatsfrau und Persönlichkeit. Mit großem Respekt verneige ich mich aber nicht nur vor der Politikerin, sondern auch vor dem Menschen Barbara Prammer", teilte der Zweite Präsident des Nationalrates, Karlheinz Kopf (ÖVP), in einer Aussendung mit. "Sie hat mit großer Demut ihre schwere Krankheit angenommen und mit großer Disziplin und Willenskraft ihr Amt bis vor wenigen Wochen nahezu uneingeschränkt ausgeübt", so Kopf weiter, der seit Anfang Juli stellvertretend die Amtsgeschäfte Prammers führte. "Persönlich bin ich der Verstorbenen für die jahrelange gute Zusammenarbeit in der Präsidialkonferenz und die sehr kollegiale und wertschätzende Zusammenarbeit im Präsidium des Nationalrats zu großem Dank verpflichtet."
Auch der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) sprach von einer "tapferen Frau, die trotz ihrer Erkrankung" eine Vielzahl von Terminen wahrgenommen hat: "Ich habe Barbara Prammer sehr gemocht und bin sehr traurig." FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache erklärte, Prammer habe als überzeugte Parlamentarierin stets auf die Würde des Hohen Hauses bedacht: "In diesem Geiste hat sie acht Jahre lang dieses Parlament geleitet und vertreten."

"Vollblutpolitikerin mit Herz und Hirn"

Tief betroffen und schockiert vom Tod Barbara Prammers hat sich SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos am Samstagabend in einer Aussendung gezeigt: "Die Sozialdemokratie trauert um Barbara Prammer." Sie sei eine "Vollblutpolitikerin mit Herz und Hirn" gewesen, die sich beharrlich für Frauenanliegen eingesetzt habe und als Nationalratspräsidentin stets auf Fairness bedacht war.

"Freundin, Wegbegleiterin, Mentorin"

Traurig zeigte sich auch die heutige Frauenministerin und SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek: "Barbara Prammer war für mich Freundin, Verbündete, Wegbegleiterin und Mentorin." In ihrer Bestimmtheit und ihrer Überzeugung habe sie Gesetze und Maßnahmen oft auch gegen Widerstand umgesetzt, sei es ihr doch darum gegangen, das Leben der Frauen zu verbessern. Mit höchstem Respekt verabschiede sie sich von Prammer, so Heinisch-Hosek.
Auch Frauengeschäftsführerin Andrea Brunner betonte: "Barbara Prammer ist für uns immer eine große Stütze gewesen. Wir werden ihren Einsatz für die Rechte der Frauen mit aller Kraft weiterführen."

"Kämpferin für starken Parlamentarismus"

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder sprach Prammers Familie im Namen des Parlamentsklubs die aufrichtige Anteilnahme aus: "Uns allen wird eine aufrichtige Sozialdemokratin und eine Kämpferin für einen starken Parlamentarismus fehlen." Als Nationalratspräsidentin habe Prammer politische Gesinnung und Überparteilichkeit verbunden, würdigte Schieder die Verstorbene.
Auch Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) zeigte sich "tief erschüttert" über die Nachricht: "Mit Barbara Prammer verliert Österreich eine vorbildliche Kämpferin für Demokratie, für Frauenangelegenheiten und für soziale Gerechtigkeit." Ihre Haltung nach der Erkrankung - "Nicht aufzugeben" - habe das Leben Prammers geprägt und ausgezeichnet, so Ostermayer.

Khol: "Mutige Frau"

Der frühere Nationalratspräsident Andreas Khol hielt in einer Aussendung fest: "Barbara Prammer war eine mutige Frau, überzeugte Sozialdemokratin, initiative Frauenpolitikern und wirkkräftige Präsidentin des Nationalrates." Alle ihre Ämter habe sie initiativ gestaltet und das Gemeinsame vor das Trennende gestellt, so Khol. Auch Fritz Neugebauer, ehemaliger Zweiter Nationalratspräsident, war tief betroffen: "In der gemeinsamen fünfjährigen Tätigkeit im Nationalratspräsidium habe ich eine Politikerin kennengelernt, die das Haus außerordentlich gut geführt hat." ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka erklärte, man werde Prammer immer als Politikerin, die über die Parteigrenzen hinweg große Anerkennung und Respekt fand, in Erinnerung behalten. Wirtschaftsbund und Bauernbund drückten ebenfalls ihre tiefe Betroffenheit aus.
BZÖ-Chef Gerald Grosz kondolierte namens aller ehemaligen orangen Abgeordneten: "Barbara Prammer war der politische Konsens und sie hatte einen fairen und respektvollen Zugang zu allen politischen Gruppierungen. Trotz aller Auffassungsunterschiede in den täglichen politischen Debatten haben wir sie immer geschätzt."

"Ausnahmepolitikerin"

Der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Landesparteichef Michael Häupl erklärte: "Mit Barbara Prammer verlieren wie eine große Kämpferin der sozialdemokratischen Bewegung." Sie habe sich stets für die Gleichstellung von Mann und Frau sowie für die Stärkung der Minderheitenrechte im Nationalrat ausgesprochen, so Häupl. Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) sprach ebenfalls von einer "Ausnahmepolitikerin", Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) von einer "guten Freundin" Kärntens.
Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) ordnete aus Respekt Trauerbeflaggung am niederösterreichischen Landhaus an: "Frau Präsidentin Prammer war immer um Konsens in der Politik über Parteigrenzen hinweg bemüht. Dafür gebührt ihr hohe Anerkennung." Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) lernte Prammer in verschiedenen politischen Funktionen "kennen und schätzen", sie sei stets um Ausgleich der politischen Interessen bemüht gewesen.
In allen Stellungnahmen wurde Prammers Familie Mitgefühl ausgesprochen.

                                               

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