22.2.2023 Aschermittwoch Joel 2.12 kehrt um zu mir Hütet euch
Mt.6.1
Ja, Aschermittwoch ist heute, die Fastenzeit beginnt. Aber sind wir nicht seit nun fast drei Jahren ohnehin in einer Art von Fastenzeit. Da war zunächst der Schock der Covid Pandemie, mehr als 20.000 Tote gab es allein in Österreich – weltweit fast 6 Millionen. Kaum hatten wir uns ein wenig erholt dann vor einem Jahr Kriegsausbruch in der Ukraine. So viel Zerstörung, so viel Leid, man leidet an der eigenen Hilflosigkeit. Gleichzeitig für viele Menschen nun wirtschaftliche Sorgen, Energiekrise, Inflation. Bei vielen liegen schon die Nerven blank. Wer hat da noch das Bedürfnis, EXTRA zu fasten. Sich noch extra Einschränkungen aufzuerlegen. Aber eigentlich geht es ohnehin gerade darum NICHT. Nicht um Krampf und Verzicht geht es – es soll vielmehr eine Zeit sein, in der wir - in aller Ruhe - wieder Wesentliches erkennen – eine neue Sicht auf unser Leben und auf uns selbst gewinnen. „Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider“, so sagt es der Prophet Joel in der jüdischen Bibel – und Jesus gibt uns im Evangelium noch einen wesentlichen Hinweis: „Wenn du fastest, mach kein finsteres Gesicht, mach dich nicht wichtig, wenn du Gutes tust – und wenn du betest, plapper nicht sondern sei ehrlich vor dir und Gott.“ So bitten wir heute
Schenk und Weitsicht, in dieser Fastenzeit, einen
langen Atem
Dass wir sachlich und nüchtern mit den Schwierigkeiten umgehen die diese herausfordernde Zeit mit sich bringt - dass wir Einzelinteressen zurückstecken können für das große Ganze - dass wir weiter auf die schauen, die in dieser Zeit besonders unsere Hilfe brauchen
um Einsicht bitten
wir
dass wir uns besser in andere hineindenken können, auch in solche, die anders denken dass wir die Menschen die mit uns leben nicht stur in unsere Vorstellungen, in unser Konzept hineinpressen - dass wir immer besser lernen, selbst Fehler zuzugeben
um Nachsicht bitten
wir
dass wir anderen nicht zu viel zu muten, dass wir mehr Geduld aufbringen - Geduld auch mit den politisch Verantwortlichen, die selbst unter Druck stehen - Und um Nachsicht mit uns selbst bitten wir, denn nicht alles, was wir uns vornehmen, wird gelingen
Auch um mehr Vorsicht
und Rücksicht bitten wir
dass wir uns an Vorschriften halten, um andere zu schützen - dass wir behutsam sind im Umgang mit unseren Mit-Menschen - Dass wir nicht mit schnellen Worten verletzen - dass wir uns als Christen zu Wort melden, wenn Menschenrechte verletzt werden
und nicht zuletzt bitten
wir um Klarsicht
Klarsicht, die uns hilft, in schwierigen Zeiten verantwortungsvoll und realistisch zu sein eine klare Sicht auf das, was not tut, aber auch um eine klare Sicht auf das, was GUT tut, den anderen, aber auch uns selbst GUT tut
So bitten wir dich guter Gott, lass uns gern in diese Fastenzeit gehen.
Wir müssen uns nicht abquälen, wir müssen uns nicht krampfhaft Schweres
auferlegen: behüte uns vor dem traurigen Gesicht, vor der
inneren Trostlosigkeit, vor allem frommen Leistungsdenken. Lass in uns Liebe
und Freude und Dankbarkeit wachsen, lass uns einfach hilfreich und gut sein für
die Menschen in unserem Leben. Darum bitten
wir im Namen Jesu, Amen
Das Buch Joel aus dem heute in der 1.Lesung zitiert wird, ist ein gutes Beispiel für die schwierige Arbeit der Bibelwissenschaft. So reicht die Datierung der Schrift vom 9.Jahrhundert vor X bis in neuere Zeit, dh. ins 3.Jahrhundert vor X. Sprachliche und inhaltliche Gründe haben nach neustem Stand dazu geführt, das Buch in das frühe 4. Jh. v.Chr. einzuordnen. Mitentscheidend war, dass Joel auf eine Fülle älterer Prophetenworte anspielt oder sie gar zitiert. Von dem Propheten Joël selbst ( sein Name: "JHWH ist Gott") ist außer dem Namen nichts bekannt.
Das alles zeigt uns immer wieder: die Bibel ist keine historische Abhandlung - kein Geschichtswerk. Und doch hören gläubige Menschen in ihr (in vielem) "Gottes Wort"
Info: https://www.bibelwissenschaft.de/bibelkunde/altes-testament/dodekapropheton-kleine-propheten/joel/