Daran mag
der Maler gedacht haben, als er die drei Lebensalter in die Gesichter der
drei göttlichen Personen legte und gleichzeitig ein weibliches Gesicht für
die heilige Geistkraft malte. Alle drei
Köpfe sind mit jeweils einem Heiligenschein versehen. Die drei
Heiligenscheine gehen ineinander über. Jeder
Heiligenschein enthält nur einen Teil des Kreuznimbus. Die drei
Köpfe werden so durch die drei Balken eines einzigen Kreuzzeichens
verklammert. Wenn man alle drei Heiligenscheine zusammenschiebe, käme der in
der Kunst für Christus übliche Kreuznimbus zustande. Ebenfalls ein Hinweis
auf die Einheit in der Verschiedenheit von Vater, Sohn und Geist.
Weiter
fällt auf, dass die Gesamtgruppe nur zwei Hände hat.
Die
beiden Hände, eine groß (männlich?), die andere zartgliedrig (weiblich?)
weisen nach innen in die Mitte.
Drei
Personen mit nur zwei Händen! Durch die Verschiedenheit der beiden Hände wird
die Verschiedenheit der göttlichen Personen angedeutet, aber
zugleich auch, dass es sich um ein Wesen handelt, denn sonst
müssten es sechs Hände sein.
Alle drei
Personen tragen dasselbe dunkelrote Untergewand, das bei der mittleren
Gestalt unterhalb der Brust in Falten gestrafft ist.
Der weiße
Mantel umhüllt alle drei. Doch er öffnet und schließt sich und öffnet sich
noch einmal nach unten hin.
Auffällig
ist auch das Weiblichkeitssymbol im Faltenwurf zu Füßen der mittleren
Gestalt, eine deutliche Darstellung des Schoßes, trickreich aus den Falten
der Gewänder von Vater und Sohn gebildet. Ein Hinweis auf Leben und
Fruchtbarkeit.
Das
Dreifaltigkeitsfresko von Urschalling ist ein Bild, an das man sich erst
gewöhnen muss. Gleichzeitig fasziniert es.
Wollte
der Maler – seiner Zeit weit voraus – deutlich machen, dass es im Wesen
Gottes nicht nur männliche, sondern auch weibliche Eigenschaften gibt?
Man denkt
unwillkürlich an das berühmte Wort von Papst Johannes Paul I.: „Gott
ist nicht nur Vater, vielmehr ist er auch Mutter.“
Sicher
hat der Künstler im 14. Jahrhundert nichts von Emanzipation, Feminismus,
Frauenquote und Geschlechterkampf gewusst. Die Rolle der Frau war im
Mittelalter klar umschrieben. Und diese Rolle war alles andere als
frauenfreundlich. Dennoch hat es sich der Künstler nicht nehmen lassen, den
Heiligen Geist als Frau zu malen.
Es
scheint, dass der Maler des Bildes sich nicht nur auf sein Handwerk verstand,
sondern auch das hebräische Wörterbuch kannte. Denn im biblischen
Originaltext, der ja in der hebräischen Sprache verfasst wurde, wird der
Heilige Geist „Ruach“ genannt.
Und
„Ruach“ ist im Hebräischen (zwar nicht durchgehend, aber doch meist)
Femininum, also mit dem weiblichen Artikel versehen: die Ruach,
so weiblich wie die Mutter, die Schwester oder die Gefährtin.
Aber
nicht nur grammatikalisch ist „Ruach“ weiblich, auch die Vorstellung ihres
Wirkens in der Welt entstammen dem Erfahrungsbereich von Frauen:
Die Ruach
schwebt (F. Stier übersetzt „brütet“) über dem Wasser.
Sie ist
die Kraft, die schon bei der Schöpfung am Anfang der Bibel wirksam war. Sie
schafft („gebiert“) das Leben.
Sie
inspiriert, motiviert, bewegt und fördert es.
Sie lässt
den Menschen atmen, leben, handeln.
Diese
Tradition findet sich auch im Neuen Testament, wenn etwa Jesus dem Nikodemus
erklärt, dass der Mensch „neu geboren werden muss aus dem Geist“,
um in Gottes Reich zu gelangen (Joh 3, 3f).
Etwas
davon drückt sich auch heute noch darin aus, wenn wir Pfingsten, das Fest des
Heiligen Geistes, als „Geburtsfest“ der Kirche bezeichnen.
Gottes
Geist: die Liebe und die Güte – die Zuwendung – die Glut, die uns im
finsteren Tal und in der kalten Nacht des Lebens wärmt und uns schützend
umgibt – die Stimme, die uns ruft, die uns mit ihrer Weisheit begleitet und
uns die Richtung weist.
Wir
kommen mit unserer Sprache an die Grenzen des Sagbaren.
Doch der
Maler, der vor 600 Jahren dieses Bild gemalt hat, er kommt uns zu Hilfe. Er
sagt uns auf seine Weise: Stellt euch die Liebe und die Güte, die Weisheit
und die Herrlichkeit Gottes nicht einseitig, nicht nur männlich vor. Gott hat
auch weibliche Züge.
Das
Deckenfresko in Urschalling war ein mutiger Schritt, die weibliche Seite
Gottes buchstäblich ins Zentrum zu rücken.
Die
„Heilige Geistin“ bildet hier die Mitte der Trinität und weist hin auf die Seite
in Gott, die neues Leben gebiert. Es ist die Seite Gottes, die treffend
besungen wird: „Komm, heilger Geist, der Leben schafft, erfülle uns
mit deiner Kraft. Dein Schöpferwort rief uns zum Sein, nun hauch uns Gottes
Odem ein.“
Bei aller
Betonung des Weiblichen in Gott soll das allerdings auch nicht dazu führen,
das Männliche, das lange Zeit überbetont war, gegen das Weibliche
auszutauschen.
Eigentlich
ist Gott weder Mann noch Frau, sondern er ist Gott!
Gott kann
weder durch sein Mann-Sein noch durch sein Frau-Sein definiert werden,
sondern nur durch sein Gott-Sein!
Er lässt
sich nicht festnageln auf ein Merkmal, auf einen Wesenszug,
auf eine Eigenschaft. Gott ist „alles in allem“.
Es sind
gerade die vielfältigen Erscheinungen Gottes in der Geschichte des Menschen
mit seinem Gott, von denen uns die Trinität erzählt:
Gott als
Vater und Mutter, als Schöpfer und Ruach (Geisteswehen) von Anbeginn der Welt
spürbar.
Er
spricht zu uns als Bruder, Freund, Geliebter, als Heiland und Erlöser in den
Erzählungen des Neunen Testamentes.
Und er
ist, solange es Menschen gibt, in uns, betet in uns, wirkt in uns als
Heiliger Geist. Er wohnt ins uns und ist in unserem Leben erfahrbar, wo wir
uns für ihn öffnen, uns von ihm durchdringen und uns von seinem Licht und
seiner Kraft, von seiner Freude und Liebe erfüllen lassen.
„Von ihm
und durch ihn und zu ihm hin sind alle Dinge“ (Röm 11, 36). – „In ihm leben
wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17, 28). – „Gottes Liebe ist
ausgegossen in unseren Herzen durch den Geist, der uns gegeben ist“ (Röm
5, 5).
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