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Liebes Europa,
wir melden uns zu Wort,
wir melden uns zu Wort,
1.805 Staatsbürger der
Tschechischen Republik.
Wir haben dir etwas mitzuteilen.
vielleicht hörst du die Äußerungen unserer Politiker und denkst, dass wir alle ziemliche Heuchler sind und unsere EU-Mitgliedschaft nicht schätzen. Vielleicht wirkt es so, als hätten wir die schmerzhaften historischen Szenen vergessen, als unsere Mitbürger unfreiwillig das Land verlassen mussten: 80 000 Juden während des Holocaust, Millionen Deutsche, meist Antifaschisten, nach dem Krieg, 25 000 Tschechoslowaken nach 1948 und fast 500 000 Menschen nach 1968.
Vielleicht wunderst du dich, was in einem Land, das der Welt Karel Čapek, Tomáš Garrigue Masaryk und Václav Havel gegeben hat, jetzt plötzlich los ist. Woher kommt so viel Unentschlossenheit, Skepsis und Feigheit? Wohin ist der Gedanke von Solidarität, Großzügigkeit und Humanismus verschwunden?
Keine Angst. Es steht gar nicht so schlimm um unser Land.
Das ist nur der Eindruck, den unsere politischen Repräsentanten erwecken.
Du musst wissen, dass wir die Zusammengehörigkeit mit den Menschen fühlen, die ihr Zuhause verloren haben, ihre Kinder nicht im Frieden erziehen und bilden können und ihre intellektuellen Fähigkeiten nicht entwickeln dürfen. Kurz und gut, Menschen, die ein ganz normales Leben nicht führen können. Und wir sind, so wie du, betroffen über die Reaktionen und die Untätigkeit unserer staatlichen Organe. Deshalb haben wir beschlossen, etwas zu unternehmen.
Hunderte von uns haben sich auf den Weg gemacht, um den Menschen in Not helfen.
Du konntest uns in Vámosszabadi, Röszke, Horgoši, Györ, Szeged, Tovarnik, Belim Manastir und an vielen anderen Orten treffen. Tausende von uns kümmern sich um materielle, finanzielle und logistische Hilfe. Ebenso viele von uns Tschechen schicken warme Kleidung, Decken, Essen und Geld. Und wir unterstützen auch diejenigen, die in die Tschechische Republik kommen, mit Wohnraum und Arbeit.
Wir sind Europäer, die enttäuscht sind von der lahmen Einstellung unserer Regierung. Unsere Regierung will sich sowie ihren Staatsbürgern einfach nicht eingestehen, dass ein paar Hundert Kilometer von unserer Grenze ein furchtbares Unglück geschieht, welches nur dank vieler NGO's und Freiwilliger nicht in eine humanitäre Katastrophe ausgewachsen ist. Staatliche Strukturen wie die Armee, die Zivilverteidigung und Krisenteams warten weiterhin ab. Wir wissen nicht, worauf sie noch warten.
Wir sind beschämt über das Verhalten der tschechischen Behörden gegenüber den geflüchteten Menschen, welche sich auf dem Gebiet der Tschechischen Republik befinden und nicht nach internationalen Konventionen behandelt werden. Wir hoffen inständig, dass der Umgang mit den Menschen, welche auf ihrem Weg zur Freiheit festgenommen und in den Erstaufnahme-Einrichtungen unterbracht wurden, nur eine Folge der falschen Einschätzung der Situation, des Informationsmangels und der übertriebenen Sorgen ist — und nicht aus bösem Willen so geschieht.
Liebe tschechische Regierung und Herr Präsident, hören Sie auf, Angst zu haben. Zeigen Sie den Menschen, die unserer Kultur näher sind, als wir bereit sind, anzunehmen, dass sie für uns keine Feinde sind. Behandeln Sie diese Menschen nicht als Verbrecher. Fangen wir lieber damit an, gemeinsam Lösungen zu finden, wie wir den Menschen in Not helfen können. Wir wollen gebildet, kultiviert und freigebig sein und sollten uns in diesem Sinne auch so gegenüber den Menschen benehmen, die unsere Hilfe brauchen. Keine Angst, wir lassen Euch nicht allein. Es gibt viele Dinge, die wir für euch tun können. Damit ihr mehr Kraft habt für ernsthafte politische Probleme, die Europa bedrohen.
Liebes Europa, brich nicht den Stab über uns. Denn wir versichern dir, dass wir viel schaffen können!
Mit Dank und Gruß
1 805 Staatsbürger der Tschechischen Republik