"Ich kann getröstet nicht leben"
das hat die wunderbare Ilse Aichinger
schon 1962 in ihren Aufzeichnungen geschrieben.
Erst vor wenigen Tagen, am 11.November ist sie gestorben,
eine der wichtigsten Stimmen der österreichischen Literatur.
Ich kann getröstet nicht leben" -
klingt das nicht paradox - weit weg von der eigenen Erfahrung.
Sucht man nicht immer TROST
Dorothee Sölle, die evangelische Feministin,
auch eine der unersetzbaren Frauenstimmen meiner Generation,
auch sie hat geschrieben:
"Wir haben Angst davor getröstet zu werden ...
denn getröstet kann nur einer werden,
der die eigene Trostlosigkeit
erkennt
und der aufgehört hat,
sich das eigene Unglück oder die eigene Leere zu verschleiern."
Ist es das, was wir in diesem Advent wieder versuchen sollten:
die Trost-Losigkeit zulassen.
Der deutsche Theologe Ludger Schulte formuliert es so:
"Das ist hart. Aber es ist wahr
..die Gottsuche beginnt, unter anderem,
mit dieser Wahrheit.
Sie beginnt,
weil einem das Leben auf die Pelle gerückt ist und
wir aufhören
auszuweichen.
In der Regel kaschieren wir, lutschen Tabletten, nuckeln an Longdrinks
herum, stellen die Musik lauter, zappeln uns auf Großveranstaltungen ab, fahren
schneller mit Autos, vergrößern unsere Schrebergärten, verlängern den Urlaub
oder die Arbeitszeit, schaffen uns einen neuen Lebensgefährten an, verfeinern
unseren Körper in Studios, ebgehen eine endlose Reihe von
Grill-und Afterwork Partys.
Wenn wir aber unsere Trost-losigkeit zulassen, das Leben mit Höhen und
Tiefen, wenn wir
Schmerz, Angst, Hilflosigkeit, ja auch Wut und Klage wieder an uns heranlassen,
aber auch das Überraschtsein von Freude, die Überwältigung durch eine
Landschaft oder musikalische Komposition, das unverdiente Geschenk einer
Freundschaft, einer Liebe ...
dann kommen wir heraus aus der Anspruchslosigkeit,
dass wir vom Leben nichts mehr verlangen als das Butterbrot.
Dann entsteht "Gotteshunger"
(Ludger Schulte "Gott suchen - Mensch werden, Vom Mehrwert des
Christseins" Herder, S 34f)