Jedesmal regt mich diese Argumentation auf, wenn damit gesagt werden soll:
"DIE verweigern ja unsere Werte"
Auch ich mag Händeschütteln nicht wirklich, mache es oft aus bloßer Höflichkeit
Einen "WERT" kann ich daran nicht erkennen. Denn während ich dem oder der Anderen die Hand beutele, kann ich mir innerlich ganz anderes denken, als die Geste signalisiert
Viel lieber würde ich mich oft nur kurz einem anderen gegenüber leicht verbeugenRespekt vor dir, dem Gegenüber.
WERTE - unsere WERTE DISKUSSION
im "Standard" lese ich ein paar kluge Gedanken des Philosophen Mathias Schloßberger
Er weist auf den logischen Unterschied hin: NORMEN - WERTE
Das ist nicht das Gleiche - Normen MUSS man befolgen,
WERTE kann man nicht aufzwingen
Schloßberger
In den meisten Fällen
geht es gar nicht um konkrete Werte, sondern...
darum,
den Migranten auf dem Weg, sich einer anderen Kultur anzunähern, eine gewisse
Hilfestellung zu geben. Ein völlig falscher Weg wäre, zu sagen: Hier, das sind
unsere Werte, die müsst ihr teilen, falls ihr sie nicht teilt, gibt es keinen
Platz für euch....
Im Übrigen
glaube ich, dass es da vor allem um Normen geht, was etwas anderes ist.
Wenn
ich in eine fremde Kultur komme, dann sollte ich natürlich mit ihren Normen
vertraut sein.
Beispiel: Wenn ich in ein Land komme, in dem
Linksverkehr herrscht, dann sollte ich kognitiv sehr sehr schnell in der Lage
sein, das zu erfassen, sonst habe ich ein Problem. Oder wenn ich in einer
anderen Kultur bin, in der das Kopfschütteln "Ja" anstatt
"Nein" bedeutet, dann sollte mir das jemand ganz schnell – sagen. Da
gibt es nicht viel zu verstehen, das muss ich einfach akzeptieren.
Aber Werte
sind etwas ganz anderes als Normen. Den Wert eines anderen zu verstehen heißt
hingegen noch nicht, ihn zu teilen. Werte sind auch keine Konventionen, die es
einfach zu akzeptieren gibt. Werte überzeugen, indem sie als attraktiv erfahren
werden.
STANDARD: Sind Werte
nicht ohnehin eine zu fluide, individuell interpretierbare Angelegenheit, weil
sie uns ja nichts vorschreiben? Brauchen wir nicht viel mehr Normen und Gesetze
als verbindliche Instanz für das Zusammenleben?
Schloßberger: Wir
brauchen beides.
Wir brauchen auf jeden Fall Normen. Denen müssen wir uns
unterwerfen, sonst funktioniert eine Gesellschaft nicht. Den Normen folgen wir,
weil wir einsehen, dass wir etwas brauchen, um das Zusammenleben in einer
Gesellschaft zu regeln. Bei Werten ist das anders.
Die Einsicht in Werte muss
von mir selber kommen. Das heißt nicht, dass Werte absolut subjektiv sind, wie
heute vielfach behauptet wird, dass also jeder seine eigenen Werte hat, sonst
bräuchten wir uns über Werte auch gar nicht zu streiten, das wäre unsinnig.
STANDARD: Ist dann zum Beispiel so eine Debatte, ob muslimische Väter
Lehrerinnen die Hand geben oder nicht, werterelevant, oder sagen Sie, das ist
ein Nebenschauplatz?
Schloßberger: Wenn es in einer anderen Kultur nicht
üblich ist, sich die Hand zu geben, dann sollte man zunächst vorsichtig sein.
Wenn wechselseitige Anerkennung nicht wie bei
uns durch das Händeschütteln, sondern auf eine andere Weise geleistet wird,
dann haben wir ein Übersetzungsproblem und keinen Wertekonflikt ...Doch wenn zum Beispiel das Motiv
für den verweigerten Handschlag letztlich die Nichtanerkennung des weiblichen
Geschlechts ist, dann steckt hinter dieser Weigerung ein echter Wertekonflikt,
über den wir diskutieren müssen. .
STANDARD: Wie
können solche Wertekonflikte gelöst werden?
Schloßberger: Wertekonflikte können
nicht rationalistisch argumentativ gelöst werden, sondern indem man dem anderen
die Attraktivität der eigenen Werte deutlich macht und ihn gewissermaßen
einlädt, ihnen zu folgen. Ein Wert, zu dem man jemanden zwingt, ein erzwungener
Wert, ist für den anderen niemals ein Wert. Das ist auch das Problematische am
Diskurs über Anerkennung. Wenn wir den anderen zur Anerkennung irgendwelcher
Werte verpflichten, sind wir auf dem Holzweg, denn die Verpflichtung zu einer
Anerkennung führt niemals zu echter Überzeugung von dem Wert, um den es geht.
STANDARD: Wo ziehen Sie
denn die Linie zwischen universellen und partikularen Werten? Weil ja nicht
alle alle Werte teilen (wollen).
Schloßberger: Das ist
eine ganz schwierige Frage. Aber es ist klar, dass es Werte gibt, von denen wir
guten Gewissens sagen können, dass sie universal sind, wie etwa die Idee der
Menschenwürde."
(Anm. obwohl auch hier kontrovers diskutiert wird !!)
zitiert nach: derstandard.at/2000048285081/Philosoph-Ein-erzwungener-Wert-ist-niemals-ein-Wert
Referat Schloßberger "Brauchen wir Werte?" - Uni Wien NIG 7.12 um 17.00