Pater Titus Helde + 22.4.1945
mich beschäftigt ein Mensch, 40 Jahre alt, der das Pech hat, plötzlich erschossen zu werden.
Nun könnte man sarkastisch sagen: heutzutage kann einem das bald einmal passieren.
Ja und auch DAMALS, als sich die Geschichte abspielt -
war es nur ein gewaltsamer Todesfall unter vielen,vielen anderen
Heute vor 40 Jahren ist in Mistelbach im Weinviertel ein junger Priester, ein Pater erschossen worden, der zusammen mit anderen Mitbrüdern versucht hat, in diesen letzten Tagen des Krieges
Frauen und Kinder zu verstecken.
Die Nazi Jahre waren schlimm genug, auch in Mistelbach, an Nazis hat es wohl auch dort nicht gemangelt, die Salvatorianerpater hatten immer wieder Probleme mit der Gestapo - trotzdem haben sie versucht, religiös weiter zu arbeiten, so gut es ging.
Dann endlich die Nazis weg - einige der "Belasteten" haben Selbstmord begangen -
es waren die Befreier da - im Weinviertel, in Mistelbach waren es die Russen.
Wie man aus allen Berichten weiß: mit den Offizieren, mit den zuerst Einmarschierenden gab es
die geringsten Probleme, schlimm wurde es mit dem Tross, mit den Soldaten die dann kamen, so
wie der Krieg eben Menschen "herrichtet", die selbst geschunden sind.
Den Patres wird von der russischen Besatzung sogar erlaubt, in ihr Ordenshaus zurückzukehren.
Pater Titus - der Mann meiner Geschichte - bekommt diese Erlaubnis vom Kommandanten persönlich. Viereinhalb Jahre zuvor hatten die Patres wegen der Nazis ihr Haus räumen müssen.
Nun verspricht der russische Stadtkommandant sogar, dass im Salvatorianerkolleg über Nacht die Haustüren geschlossen bleiben dürfen - denn es sind nun auch Pfleglinge des ehemaligen Siechenhauses bei den Patres untergebracht.
Kaum spricht sich herum, dass die Patres wieder in ihrem Haus sind, suchen bereits Frauen und Kinder - aus Angst vor russischen Soldaten - Zuflucht und Unterschlupf.
Pater Titus bringt in einem Eckzimmer etwa 20 Mädchen und Frauen aus der Stadt unter und schiebt auch noch sein Bett vor die Tür. Einem Mitbruder sagt er: "wenn mir ein Russe über mein Bett geht, dann geht er über meine Leiche".
Wie man das halt so sagt ...
Es wird dämmrig an diesem 21.April 1945 - eine Gruppe von Russen will nun doch um ca.20.00 das Haus durchsuchen. Pater Titus und eine Schwester führen die Soldaten mit brennenden Kerzen durch die schon dunklen Gänge. Die Soldaten bemerken nichts von Flüchtlingen.....dennoch wird es plötzlich chaotisch. Hier gehen die Augenzeugenberichte auseinander ...Kerzen erlöschen, es wird geschrieen, ...
am Ende von turbulenten Minuten liegt der 40jährige Pater Titus schwer angeschossen im Flur
des Ordenshauses.
Folgendes war passiert: Der Rundgang der Russen war ohne Vorkommnisse abgelaufen, als diese schon wieder das Haus verlassen, stürzt eine junge Frau mit Kind am Arm zum Eingang des Kollegs und fleht Pater Titus an, sie noch herein zu lassen. Er tut das - und schickt sie in den 1.Stock.
Später wird die Frau erzählen: sie habe nur noch gehört, wie die russischen Soldaten mit dem Pater schrien, ihn schlugen, wie er aber versuchte, die Türe so lange zuzudrücken, bis er die junge Frau in Sicherheit hoffte. Dann stürmen die Soldaten nochmals herein und es fallen zwei Schüsse ....
P.Titus ist lebensgefährlich getroffen....
medizinische Hilfe ist in den nächsten Stunden nicht zu bekommen, die Schwestern beten bei dem
Schwerverletzten ...um 3 Uhr früh am nächsten Tag, 22.April, ist er verblutet, tot.
Zwei Tage später versucht man P.Titus zu beerdigen. Er ist nicht der einzige Tote im Ort.
Nur behelfsmäßig hämmern Freunde für ihn einen Sarg zusammen - als sie mit dem Leiterwagen zum Friedhof wollen, wird ihnen der Sarg von Russen konfisziert. Auch die brauchen Särge...
Die wenigen Freunde tragen den in ein Leintuch gehüllten Leichnam wieder nach Hause. Um einen zweiten Sarg zu zimmern, gibt es nicht genug Holz. Man nimmt wenigsten ein Holzbrett, um damit in der Grube den Kopf des Toten zu bedecken. Aber die Grube, so stellt sich heraus, ist zu klein. So kann das Deckbrett nur schräg auf den Toten gelegt werden. Nur wenige Freunde sind anwesend
Eine von hunderten, vermutlich tausenden Geschichten dieser letzten Kriegstage.
Für die Weltgeschichte das alles nur eine Randnotiz
Trotzdem ist es die große Geschichte von einem, der - einfach so -
plötzlich -
sein Leben für Andere gegeben hat.
Eine junge Frau und ihr Kind haben mit seiner Hilfe überlebt.
PS Und mit Hilfe der Salvatorianer Patres in Mistelbach noch 20 andere Mädchen und Frauen, die sie unter Lebensgefahr versteckt hatten. Vor 70 Jahren ... in diesen Tagen