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Sonntag, 7. September 2014

"Sie hat a Haus baut" - Maria Stachel

"Man weiß nie genug vom Leben" 
ein zutreffenderes Motto könnte es für Maria nicht geben. Natürlich habe ich auch sie im facebook entdeckt, Architektin aus Graz - Diplom Ingenieurin, immer schon Alleinerzieherin, Mutter einer wunderbaren Tochter, Lehrerin, Mentalcoach, Bibliodrama-Gestalterin, Fotografin -  ausgestattet mit den vielfältigsten Begabungen - oder auch "heimgesucht"von all diesen Talenten - denn oft denke ich mir, (wenn meine Bewunderung für Maria gerade wieder einmal in kleinlichen Neid umzuschlagen droht): sei froh, dass du selbst nicht täglich vor so vielen Lebens-Möglichkeiten (und Zerreißproben) stehst wie Maria. Eingebunden in ihre tägliche "Brot-Arbeit" - und ohnehin in einem wunderbaren Haus mit Garten in Graz wohnend - begann sie plötzlich ein "Haus am Land zu suchen" - und noch schlimmer - "dieses Haus nach eigenen Vorstellungen um-zu bauen". Mir schien das der Anfang vom WAHNSINN - Wieviel Mut und Wahn braucht es - so dem SINN auf die Spur zu kommen?
Ich bat Maria, BITTE SCHREIB für mich:
was denkst du dir,wenn du so mit deinem Kleinbus von Graz ins Burgenland pendelst -
von einem fix und fertigen Haus da - nach dort, wo alles irgendwie immer im Auf-und Umbruch ist.



August 2014

Ich fahre von Wien nach Graz auf der Autobahn.
Zwischen Baden und Seebenstein spannt sich der Himmel über der Erde auf besondere Weise weit. Fühle mich eingebunden und mitten drin – zwischen Himmel und Erde. Mein reiches Leben kommt mir in den Sinn – mit all den kaum aushaltbaren Schmerzen und den wenigen Glücksmomenten und ganz viel Dankbarkeit erfüllt mich. Es ist, wie wenn ich Teil wäre vom großen Ganzen.
Gott – du brennender Dornbusch in mir, der mich verzehrt und lebendig macht gleichzeitig.

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen
Die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm
und ich kreise jahrtausendelang.
Und ich weiß noch nicht:
Bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang
(Rainer Maria Rilke)

Die Bäume fallen mir ein und dass ich die Arbeit in meinem Wald liebe, das Aufräumen dort, das Zusammenlegen der Äste zu einem Haufen,… Diese Arbeit hat mich noch nie erschöpft. Im Gegenteil: Sie richtet mich auf, macht den Kopf klar und die Gesinnung gerade. Die Gelassenheit der Bäume überträgt sich auf mich – das hab ich schon oft erlebt



Immer noch im Auto zwischen Wien und Graz.


Wo bin ich die „ich bin da“, die pure Gegenwärtigkeit?“
Was hat mich hierher geführt auf diese Erde? Das Teilnehmen an der Schöpfung, Kreativität, das Gestalten?
Diese Vielfältigkeit in meinem Leben. Wer oder was ist das Gefäß für all das? Viele Fragen – ohne Stress, sie beantworten zu müssen. Sie sind einfach da und begleiten mich auf dieser Autofahrt.

Schon als Kind habe ich das Gestalten geliebt. Meine Schwester und ich durften unser Zimmer so oft umbauen wie wir wollten. Geld gab es keines, aber Kisten und Decken und Schachteln. Der Erdhaufen hinter dem Haus wurde regelrecht zu einem Dorf mit Wegen und Plätzen umgestaltet. Jedes von uns vier Kindern hatte dort einen eigenen Bereich, eine eigene Wohnung.

Später bin ich zuerst Arbeitslehrerin (für Handarbeit und Hauswirtschaft) geworden und dann Architektin. (Nein, so geradlinig und direkt war der Weg nicht, aber davon soll hier nicht die Rede sein).

Die Gedanken auf der Autobahn schweifen zu meinem „Burgenland-Projekt“:
Haus renovieren und Landschaftsgarten anlegen.
2011 hab ich mir im Südburgenland eine kleine Landwirtschaft gekauft wo ca. 35 Jahre lang nichts geschehen ist. Der Weingarten ist verschwunden, aus dem Acker wachsen die Schwarzerlen und aus der Wiese mit dem Obstgarten wurde ein Brennnessel-Dornengestrüpp mit Bäumen und Sträuchern – alles zugewachsen. Zum Teil sind die Bäume aus dem Haus gewachsen. Überall Schatten. Kleines Haus, große Scheune, schöner Innenhof.

Was hat mich, eine berufstätige, 57-jährige, allein stehende Frau zu so einem Projekt bewegt (zusätzlich zum Wohnort Graz)?
-       Geldanlage? Hat sich als Geldverbrauchsprojekt herausgestellt
-       Gut dastehen wollen / bewundert werden? – Ist alles auf Sand gebaut / trägt nicht
-       Sich selbst beweisen wollen? – Hat schon was Reizvolles, mündet aber in Arbeit ohne Ende
-       Ruhe- und Stillebedürfnis? – Wurde zum Teil erfüllt, den Rest erfüllen Kreissägen, Rasenmäher, Traktoren und ganz besonders die Motorsensen der Nachbarschaft

  1. Für mich war es vor allem die Sehnsucht nach Stille. Einmal nichts hören – nur die Natur. Der Lärm der landwirtschaftlichen Maschinen ist ein anderer, als der Dauerlärm der Stadt.
  2. Weiters war es zu diesem Zeitpunkt 2011 auch die körperliche Tätigkeit. Aus der Starre eines tiefen Seelenschmerzes irgendwie herauskommen durch das Tun. In Bewegung kommen – körperlich und in der Folge auch seelisch. Nicht mehr grübeln weil jede Sekunde ausgefüllt war mit überlegen wer was wann wie macht.
  3. Ich wollte einen Landschaftsgarten anlegen – mit Wegen und Plätzen. Dazu braucht es Bäume, die schon älter waren, sonst erlebe ich das Ambiente nicht mehr
  4. Das Haus sollte klein sein, weil das Geld für ein größeres nicht reicht.
  5. In Zukunft könnte es auch ein Rückzugsort für andere Menschen werden, die so wie ich die Stille suchen. In diesem Punkt spießt es sich im Moment, weil das gefundene Haus eben sehr klein ist. Aber es ist noch nicht aller Tage Abend – mal sehen, was die Zukunft noch bringt. Vielleicht baue ich noch einen Gartenraum dazu……

Die ersten Arbeiten waren Roden und Niederschlägeln von Dornen und Brennnesseln. Ein Bagger hat die Erde vom Haus weg geschoben und diese mit einer Steinschlichtung befestigt.
Dann war das Wohnhaus dran: Sämtlicher Putz wurde entfernt, die morschen Deckenträme ausgewechselt, der ganze Fußbodenaufbau ist neu, zum Teil wurden die Wände trocken gelegt, Zwischenwände versetzt, alles neu verputzt. Ich habe nur mit Sumpfkalk arbeiten lassen. In der Scheune hab ich aufgeräumt, 4 Anhänger voll Gerümpel entsorgt, ausgebessert, gekalkt, Unmengen von Ziegeln geputzt, hab geschaufelt, war immer staubig, entweder im Auto geschlafen oder auf der Baustelle,…


  

Beim Einstandsfest gab es in der geputzten Scheune einen Bilder – Vortrag und das Buffet im kühlen ehemaligen Schweinestall.

    


Nach einem Jahr war das Häuschen bewohnbar: 2 Schlafzimmer, eine Wohnküche, ein Bad. Ein Kachelofen heizt das ganze Haus - es ist schön geworden
    

Nach dem ersten Winter

    kam der Garten mit den Außenanlagen dran:

 

Im Winter bezw. Frühjahr lasse ich immer Holz schlägern. Spalten, zum Trocknen aufschlichten und nach 2 Jahren ofenfertig schneiden und nochmals schlichten – das ist dann wieder meine Arbeit. Eigentlich kommt mir das alles viel teurer, als wenn ich mir das Holz ofenfertig zustellen lasse – aber ich kann nicht anders, als das eigene Holz eben selber verarbeiten / verarbeiten lassen.


 Hab erfahren, dass es mir zu mühsam ist mit der Scheibtruhe voll Holz einen weiten Weg durch den Schnee zurückzulegen. So habe ich mich entschieden, an der Nordseite des Hauses eine überdachte Holzlage zu bauen und im Hof einen überdachten Bereich, der auch zum Holz lagern verwendet werden kann, besonders aber als Erweiterung des Wohnbereiches im Sommer dient.
Und so hab ich rund ums Haus 2014 noch einmal eine Baustelle eröffnet.

   
Und wer weiß, was noch alles kommt – „man weiß ja nie genug vom Leben“ (Ueli Hofer)


Bei Seebenstein muss ich immer aufpassen: Fahre ich über Gleisdorf oder über Bruck / Mur? Ich entscheide mich über Bruck / Mur. Die Landschaft wird enger, die Straße auch, der Himmel ist anders, irgendwie weiter weg. Die Aufmerksamkeit ist wieder mehr bei der Autofahrt – gegenwärtig.

Einmal, als ich so ganz intensiv auf der Suche nach „wie schafft man es, immer gegenwärtig zu sein“ war, hat die Sonne mir geantwortet:
“Wenn ich dein Problem hätte, gäbe es mich gar nicht. Dass ich da bin ist Gegenwart genug!“
So einfach ist das



DI Maria Stachel
Architektin, Handwerkerin, Gärtnerin, Coach für The Work of Byron Katie, Bibliodramaleiterin