ES MUSS SPEZIELLE REHABILITATION FÜR MENSCHEN NACH EINER
KREBSBEHANDLUNG GEBEN - Irmgard fordert es vehement aus der Sicht einer
Betroffenen. Zweimal Zungengrundkarzinom, zig- Operationen, 30 Bestrahlungen mit schwerwiegenden Folgen ....
wenn die akute Versorgung vorbei ist, geht man nach Hause.... und DANN?
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Wann immer uns ein
Schicksalsschlag trifft, vor allem was unsere Gesundheit anbelangt,
stellen wir uns die gleichen Fragen: warum ich, warum gerade das, was
habe ich falsch gemacht etc., etc. Zufriedenstellende Antworten bleiben
aus, egal, an wen die Fragen gerichtet werden. Also sucht man selber
eine. Ich versuche, meinen beiden Krebserkrankungen - so makaber es
auch klingen mag – folgenden ‚Sinn‘ zu geben, wohl auch, um mich selbst
ein wenig zu beruhigen, und greife noch einmal den Begriff
‚Werbeträgerin‘ auf. Denn nach dem Fernsehbeitrag in ‚bewußt gesund‘
folgte ein weiterer in ‚Treffpunkt Medizin‘, und schließlich wurde ich
für die Fachzeitschrift ‚Spektrum Onkologie‘ – damals mit Schwerpunkt
Rehabilitation – um meine Gedanken dazu gebeten.
Zu wenige Rehabilitationsplätze für onkologische Patienten
FOCUS
Onkologische Rehabilitation
SPECTRUM onkologie 1/2013 69
Redaktion:
Mag. Silvia Feffer-Holik
Der
Bedarf an spezifischer Rehabilitation für onkologische Patienten ist
hoch, das Angebot nach wie vor sehr dürftig. Auch nach einer
erfolgreichen onkologischen Therapie können physische und psychische
Beschwerden auftreten, die extrem belastend sind. Eine speziell auf
Krebspatienten
abgestimmte Rehabilitation könnte viel dazu beitragen, die
Lebensqualität
zu
erhöhen. Doch die meisten heimischen Rehabilitationszentren sind
nicht auf diese Patientengruppe spezialisiert, wohl auch, weil nach
wie vor der Rechtsanspruch auf onkologische Rehabilitation fehlt.
Dringender Bedarf besteht bei vielen in Hinsicht auf psychologische
Betreuung und Ernährungsberatung. Rehabilitationsbemühungen können
bei jüngeren Patienten u. a. Dazu führen, dass sie schneller wieder
in den Beruf
zurückkehren können. Ältere Menschen können sich ohne fremde
Hilfe leichter wieder in den Alltag einleben.
Bericht
einer Betroffenen
Warum
Rehabilitation gerade für Krebspatienten so wichtig ist und welche
Anliegen dabei mehr im Mittelpunkt stehen sollten, zeigt das folgende
Gespräch mit einer Betroffenen. Irmgard Czerny hat nach der
Behandlung zweier Zungengrundkarzinome einen mehrwöchigen Aufenthalt
im Rehabilitationszentrum Sonnberghof genützt und schildert im
folgenden Interview ihre Erfahrungen und Eindrücke:
SPECTRUM
Onkologie: Was hat die onkologische Rehabilitation für Sie gebracht?
Irmgard
Czerny:
Ich
habe aufgrund von zwei aufeinanderfolgenden Zungengrundkarzinomen und
dreißig Bestrahlungen fast keine Speichelbildung mehr, leide unter
vermindertem Geschmack,meine Stimme war für lange Zeit weg,und auch
mein Selbstwertgefühl hat unter der Erkrankung gelitten. Als ich das
erste Mal in den Sonnberghof kam, war es mir sehr wichtig, dass man
auf meine Bedürfnisse eingeht. Ich kann nach einer solchen
Beeinträchtigung meines Lebens kein Programm von 7 bis 16 Uhr
„abspulen“. Ich muss die Möglichkeit haben, mir die Therapieform
und Abfolge
selbst
zusammenzustellen, wie es meine Kräfte eben erlauben. Das ist im
Rehabilitationszentrum Sonnberghof möglich.
Positiv
überrascht war ich auch über die Gestaltung der ganzen Anlage, und
es tat sehr
gut, der wochenlangen Spitalsatmosphäre zu entkommen. Die Zimmer im Sonnberghof
gleichen einer kleinen Wohnung und vermitteln Bewegungsfreiheit und
ein Gefühl der Geborgenheit.
Alle Sinne werden in diesem Haus auf
gediegene und
harmonische, ja sogar originelle Art und Weise angesprochen. Der
Geschmack, für mich besonders wichtig, wird mit Hilfe des
vielfältigen Nahrungsangebotes und der Aufbereitung wieder auf den
Geschmack gebracht, die Zusammenstellung und
Größe der Speisen kann ich meinen Bedürfnissen entsprechend
wählen.
Lymphdrainagen,
leichtes Konditionstraining, Schmerz- und Stressbewältigung – all
das hat mir geholfen, mit der neuen Situation besser umzugehen. Ich
komme mittlerweile schon zum 6. Mal in den Sonnberghof, weil mir die
Atmosphäre und die individuellen medizinischen bzw. therapeutischen
Behandlungen gut tun, und ich wieder Energie tanken kann.
Halten
Sie onkologische Rehabilitation generell für wichtig?
Unbedingt,
und zwar für alle onkologischen Patienten. Vor allem sollten
Betroffene noch
im Spital bzw. von ihrem behandelnden Arzt besser über die
Möglichkeit der
Reha informiert werden. Auch sollte das Krankenhaus, ehe der Patient
entlassen wird, die Lebensumstände des Betroffenen abklären, in die
man ihn entlässt. Gerade nach einer Krebstherapie hat man oft nicht
die Kraft und den Antrieb, von sich aus aktiv zu werden. Tausende
Menschen mit Krebserkrankungen
werden
so nach der Akuttherapie sprichwörtlich sich selbst überlassen.
Ich
bin durch Zufall auf den Sonnberghof gekommen und bezahle mir die
Aufenthalte selbst, aber das ist sicher ein Punkt, der für viele
Menschen nicht möglich
ist. Diese Form der Rehabilitation müsste allen Betroffenen
zugänglich gemacht
werden, schon im Hinblick darauf, dass diese Menschen ja wieder ihren privaten
und meist auch beruflichen Lebensablauf bewältigen müssen.
Allen
Menschen, die eine so lange und schwere Zeit wie ich durchgemacht
haben, empfehle
ich für ihren Neustart ins Leben die Lebensphilosophie von Theodor Seuss
Geisel:
„Sei, wer du bist und sag, was du fühlst. Denn die, die
das stört,
zählen nicht,
und die, die zählen, stört es nicht.“
Welche
Anliegen der Patienten sollten bei der onkologischen Rehabilitation
noch mehr im Mittelpunkt stehen?
Sehr
wichtig ist es, dass die Therapie auf das Leben zu Hause vorbereitet.
Viele Menschen
haben ja Probleme beispielsweise mit Inkontinenz, einem künstlichen Darmausgang
oder auch mit der Atmung, hier ist praktische Hilfestellung sehr
wichtig. Denn nicht jeder, der in einer Partnerschaft lebt, hat damit
auch einen
Menschen zur Seite, der da ist, wenn man ihn braucht. Und die
Menschen, die
allein in einem Haushalt leben, werden immer mehr und benötigen
daher ein engmaschiges soziales Netz.
Weiters
muss das Angebot in einem Tempo stattfinden, das auf die Kräfte des Patienten
Rücksicht nimmt. Wichtig ist auch, dass Krankenhausgeruch und
Spitalsbilder, denen man oft wochenlang ausgesetzt ist, auf der Reha
durch angenehme Sinneswahrnehmungen ersetzt werden. Oder auch, dass
sanfte Kopfmassagen nach Verlust der Haare oder evtl. eine
Narbenbehandlung nach großen operativen Eingriffen angeboten werden. Beratung
nach Verlust einer Brust– wie kann ich geschickt kaschieren und trotzdem
so aussehen, dass ich mich wohlfühle – würde guttun. Gerade für
einen
Krebspatienten sind kleine Erfolgserlebnisse wichtig, da man ja auf
allen Ebenen
reduziert wurde, sich nichts mehr traut und sich nichts zutraut.
Angenehm
wäre es auch, wenn die Ärzte nicht „ganz in Weiß“ erscheinen,
das
würde
sich auch positiv vom Krankenhausbetrieb unterscheiden. Dem Patienten
wird
so das Gefühl vermittelt, hier spricht ein Mensch mit mir – und
hört mir auch zu – und nicht ein unerreichbares Individuum, das
bewusst Distanz hervorkehrt. Ich
halte nichts davon, Patienten zu diversen Vorträgen zu verdonnern,
sondern eher
davon, „Sprechstunden“ zu bestimmten Themenbereichen und
Erfahrungsaustausch in kleinen Gruppen sowie evtl. autogenes Training
oder Akupunktur vorzuschlagen.
Was
könnte man – Patienten, Ärzte, Sozialversicherung, Politik –
unternehmen, um das Projekt onkologische Rehabilitation in Österreich
erfolgreich umzusetzen?
Prinzipiell
wurde die onkologische Reha bis jetzt stiefmütterlich behandelt bzw.
bloß „integriert“, statt ihr eine gleichwertige Stellung
einzuräumen. Sie sollte allerdings im Sinne des sanften Tourismus
als „sanfte Reha“ gestaltet werden. Denn es ist ein großer
Unterschied, ob jemand nach einem Schiunfall die Möglichkeit einer
Rehabilitation bekommt oder nach einer Krebserkrankung
mit
Operation, Chemo oder Bestrahlung.
Ein
dichtes Therapieprogramm unter Zeitdruck in Spitalsatmosphäre ist
kontraproduktiv, denn es müssen Körper und Seele zur Ruhe kommen
und auch alle Sinne neu angesprochen werden.
Daher
wäre es besonders wichtig, schon bei der Planung von onkologischen
Reha-
Zentren
Patienten einzubeziehen, um deren Bedürfnisse auch wirklich zu
berücksichtigen.
Die
Politik müsste mehr Geld zur Verfügung stellen, die Therapeuten
sind überwiegend auf Trinkgeld angewiesen, weil das Grundgehalt
beschämend niedrig ist. Es sollte auch ein Umdenken stattfinden,wenn
es um den Neubau von „Wellness- Tempeln“ geht. Die Bevölkerung
wird zunehmend älter, und wir werden verstärkt Reha-Einrichtungen
brauchen; nicht nur für Erwachsene, sondern leider auch
für Kinder und Jugendliche. Und das sollten dann „Häuser zum
Wohlfühlen“
mit
der nötigen Infrastruktur und nicht Therapiezentren sein, die
optisch und
auch von der Führung her an den Krankenhausaufenthalt erinnern.