der Wissenschafts-Soziologe Armin Nassehi von der Uni München hat eine interessante These aufgestellt: zu viel Wissen schränkt den Horizont ein
"Normalerweise sagen wir, dass Wissen unsere Horizonte öffnet. Wer nichts weiß, ist doof; wer etwas weiß, dem steht die Welt offen. Und da ist ja etwas dran. Aber es ist nur die halbe Wahrheit.... Je genauer wir etwas wissen, umso weniger sind wir offen, Umweltreize anders wahrzunehmen, als wir das immer schon in Routinen getan haben. Das Wissen schränkt den Blick auf die Welt ein, und deshalb schadet zu viel Wissen womöglich."
http://derstandard.at/1395364350356/Wissen-schraenkt-unseren-Horizont-ein
seit langem interessiert mich dieser Denkansatz im Zusammenhang mit Religion.
Je mehr wir "wissen" - je mehr wir mit religiösem Wissen angefüllt sind - desto geringer
ist vielleicht die Chance einer eigenen, authentischen Gotteserfahrung?
Wir sind VOLL mit Bildern, die die Meisten von uns von klein auf im Kopf tragen. Im Lauf der Zeit werden
diese Bilder und Aussagen über Gott „erwachsener“ - aber
letztlich kauen wir über die Jahrhunderte wieder, was uns vorgegeben
wird. Nur wenige schauen überhaupt über den Tellerrand der eigenen
Religion. Die einen hüten ängstlich, die anderen einfach nur
„fromm“, wieder andere einfach nur "rituell“ ihr Gottesbild.
Ich selbst bin „ohne Relgion“
aufgewachsen, dh bis zum Eintritt in die Volksschule. Damals ist eine
ganze Bilderflut über mich gekommen und es hat mir gut
gefallen. Aber ich hatte eine große Chance: ich war LEER – mich
hatten zuvor nur eigene Gefühle geprägt. Da gab es eine alte Frau,
die mich öfters in eine Kirche mitnahm, ohne dass sie mir irgendetwas
erklärt hat. Ich sah nur ihr Versunkensein, ihre Hingabe, ihr
Vertrauen...ich hatte keine Ahnung,worum es ging, aber ich habe
schon als Kind für mich allein „dem“ nachgespürt, ohne einen
Namen dafür – niemand hat zu mir über GOTT gesprochen. Als es
dann in der Volkssschule so weit war, da habe ich diese vielen
EIGENEN inneren Gefühle mit diesem Begriff GOTT in Verbindung
bringen können. Es waren aber bereits „meine“ Erfahrungen –
und automatisch ist mir das bis heute geblieben. Ich liebe meine
Religion – aber meine Gottes-Erfahrung geht über „Religion“
hinaus.
Das ist wie mit dem Wissen. Wenn man zu
viel „weiss“ muss man ja nicht mehr nachdenken. Dann ist es eben
so – es entsteht aber nichts Neues.
Wenn man zu viel fixe "Religion“
hat,dann kann man auch aufhören, zu suchen ….
Gott finden wir aber im immer wieder
neuen SUCHEN –
es ist jedenfalls meine Erfahrung –
und es bedeutet NICHT UNSICHERHEIT –
es ist ein OFFENHALTEN
für eine grenzenlose FÜLLE – auch
LEERE
als Journalistin hatte ich ein paar Mal die Gelegenheit mit Karl Rahner Interviews zu machen und auch ein bißchen persönlich mit ihm zu sprechen. Ich erzählte ihm von meinen "Erfahrungen" und er sagte damals: sie sind eine "anima religiosa naturaliter" - klingt kompliziert, gefällt mir aber!