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Sonntag, 13. April 2014

letzte Chance für die Erde?


Trotz steigender Treibhausgasemissionen sieht der Weltklimarat (IPCC) der Vereinten Nationen noch immer eine Chance, die Erderwärmung in den Griff zu bekommen. Im jüngsten Bericht, der heute in Berlin vorgestellt wurde, empfehlen Wissenschaftler eine radikale Verschiebung von Investitionen: weg von Förderung und Verbrennung von Kohle, Gas und Öl - hin zu klimafreundlichen Energien.
Die Kernbotschaft des dritten und letzten von drei Kapiteln des Weltklimaberichts lautet, dass die Abkehr von klimaschädlichen fossilen Energiequellen nicht so teuer ist, wie viele Menschen vermuten. Nach IPCC-Berechnungen schlägt er bei einem geschätzten Wirtschaftswachstum von 1,6 bis 3,0 Prozent im Jahr mit einem Minus von nur rund 0,06 Prozentpunkten zu Buche, und auch das nur bis zum Jahr 2030. „Es kostet nicht die Welt, den Planeten zu retten“, sagte Ottmar Edenhofer, Kovorsitzender des neuen IPCC-Berichts.

Radikales Umdenken nötig

Bisher ist es ein politisches Ziel, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu halten - gerechnet im Vergleich zur Temperatur vor der Industrialisierung. In dieser Marge gilt der Klimawandel mit Gletscherschmelze, steigendem Meeresspiegel und Wetterextremen zwar als beherrschbar. Doch die Folgekosten reichen bis hin zu neuen Herausforderungen wie Klimaflüchtlingen. Vom Zweigradziel ist die Welt jedoch weit entfernt. Zwischen 2000 und 2010 wurde etwa weltweit so viel Kohle verheizt wie noch in keinen zehn Jahren je zuvor.
Dementsprechend gab es zwischen 2000 und 2010 laut IPCC den stärksten Emissionsanstieg der vergangenen 30 Jahre - trotz vieler Klimaschutzbemühungen. Weltweit reichen die Bemühungen einfach nicht. Machen die Staaten weiter wie bisher, kommt der IPCC auf eine Erwärmung von voraussichtlich 3,7 bis 4,8 Grad bis zum Jahr 2100. Um das zu verhindern, müsse die Welt bis Mitte des Jahrhunderts die Treibhausgasemissionen um 40 bis 70 Prozent drosseln und bis zum Jahr 2100 nahezu auf null bringen - so die Empfehlung an die Politik.

Umweltschützer enthusiastisch

Am Abschlusskapitel des Weltklimaberichts wirkten 235 Hauptautoren und 38 Editoren aus 57 Ländern mit. Beteiligt waren auch 180 Koautoren und 800 weitere Experten, die den Bericht begutachteten. Die ersten beiden Teile des Berichts hatten sich mit wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels sowie damit verbundenen Risiken und notwendiger Anpassung an Klimafolgen befasst. Im Oktober will der Weltklimarat noch einen Synthesebericht aus allen drei Teilen vorlegen, der die Grundlage für die große Pariser Klimakonferenz 2015 sein soll.
Das neue wirtschaftliche Argument sorgte auch bei vielen Umweltschutzorganisationen für Enthusiasmus. Denn es könne all jene Politiker überzeugen, die durch mehr Klimaschutz eine Schwächung der Wirtschaft ihres Landes befürchteten. „Das ist die Schwelle zum Durchbruch“, sagte Karsten Smid für Greenpeace. Die Technik für erneuerbare Energien sei heute ausgereift, verfügbar und erschwinglich. Als weiteren Vorteil gebe es weniger Luftverschmutzung und weniger Gefahren, Stichwort Atomkraft.

Kohle und Gas sollen „unter der Erde bleiben“

Der jüngste IPCC-Bericht zeige, dass Klimaschutz möglich und finanzierbar sei, betonte auch Samantha Smith von der Umweltstiftung WWF. Wer jetzt sage, das sei zu schwierig oder zu teuer, liege falsch, ergänzte sie. Für Investoren heiße das: „Nimm dein Geld raus aus den fossilen Energieträgern.“ Kohle und Gas unter der Erde seien nichts mehr wert, wenn sie politisch nicht gewollt seien - und dazu als ökologischer Wahnsinn gälten.
Skeptischer sieht Forscher Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik die Wirkung des aktuellen Berichts. „Politisch hat das nicht viel Überzeugungskraft“, urteilt der Energiepolitikexperte. Der Report des ehemaligen Weltbank-Chefökonomen Nicholas Stern, der Klimaschutz bereits 2006 als wirtschaftlich sinnvoll einstufte, habe in der politischen Praxis auch nicht viel verändert. Der neue Bericht wiederhole die „Fünf-vor-zwölf-Rhetorik“ früherer IPCC-Reporte, kritisierte Geden. Diese Botschaft nutze sich für Politiker ab.

Quelle:  http://orf.at/stories/2226035/2226036/