Ich gehe zur Akupunktur. Genauer gesagt, zum ersten Mal "versuche" ich Akupunktur. Geplagt von Kreuzweh denke ich mir, wird schon nicht schaden - ob`s nutzt wird man noch sehen. Mit Shiatsu bin ich sehr zufrieden, auch mit Osteopathie, GEHEILT ha mich beides nicht, das wird wohl auch die Akupunktur nicht können – aber alles, was zwischendurch hilft, soll mir recht sein. Habe auch seit Jahrzehnten keine Scheu vor Alternativmedizin, und bin damit sehr gut gefahren. Aber – DARUM geht es ja nicht. Nach einem intensiven guten Erstgespräch werden die Nadeln gesetzt. Nur ein Miniprogramm, zur Sicherheit, wer weiß, wie intensiv ich reagiere …
Die erste Nadel wird auf dem Kopf platziert, mitten am Kopf.
Das ist der „Punkt der göttlichen Gleichmut“ sagt die Ärztin und ich denke mir, na gut, das kann ja nicht schaden. „Göttliche Gleichmut“.
Sehe mich demnächst als Yogi abgeklärt zwischen Kreuzweh und Weltenwahnsinn. Nichts wird mich mehr erreichen...kein leiden, kein mit-leiden, wo man doch zumeist ohnehin so hilflos ist...
...noch ein paar Nadeln, vielleicht sind es sieben oder acht ? Dann kommt der für mich langweilige Teil. Oh Gott, ruhig liegen, einfach liegen. „Entspannen sie sich, entspannen sie sich ganz“ sagt die Ärztin, eine halbe Stunde soll ich nur LIEGEN. Fast steigt zuerst Panik auf, das halt ich nicht aus, gleich hupf ich mit den Nadeln vom Bett, bin nicht müde genug für ein powernäppchen - nein, die Nadeln selbst sind nicht unangenehm, auch wenn ich tief in mich hineinspüre, vielleicht piekst es doch irgendwo?? Aber die erzwungene Ruhe macht so unruhig. Der Drang auf zu hupfen ist stark, noch größer die Versuchung wenigstens zum handy zu greifen – dann denke ich mir – reiß dich am Riemen…..Tu brav NIX, NIX denken, NIX denken, nur DA-SEIN …. Da läuft mir der „Punkt der göttlichen Gelassenheit“ quer durch die erzwungene Ruhe. Ist das nicht ein wunderbarer Gedanke – ist das nicht ein anstrebenswerter wunderbarer Zustand …jetzt hab ich doch genug Zeit zum Erst-üben …. gelassen...gelassen...gelassen ...
Nein, da steigt
plötzlich Zorn in mir hoch. Das ist so ziemlich das Letzte, mit dem ich mich
anfreunden will. Göttliche Gelassenheit….. wäre mir ein Gott nahe, einer mit
göttlicher Gelassenheit? Denke ich mir da nicht eher zynisch: ja gell, so schaut die
Welt aus, weil – da irgendwo – absolute göttliche Gelassenheit. Ein ins Unendliche
ausgebreitete Prinzip der Gelassenheit, oder besser gesagt „Wurschtigkeit“ ….
Ja, denke ich mir, wie schön ist die Geschichte, die sie von Jesus erzählen – wie vielen Menschen hat er gut getan, alles andere als "gelassen" war er, weinen konnte er, sich freuen, zornig werden, vor allem aber: Mitgefühl, Mitgefühl -
Vielleicht erst im Sterben hat er sich
in diesen Punkt der göttlichen Gelassenheit fallen lassen. In aller
Gott-Verlassenheit.
Dann bin ich plötzlich wieder
nadel-los …da oben am Kopf spür ich gar nix, und lieber als ge-lassen sein will
ich mich weiter ein-lassen …. Ja, auch auf das, was weh tut und wenns nur das
Kreuz weh ist
ps comic Altern ist: Hans-Peter Zehnter