Seiten

Sonntag, 5. Mai 2024

meine Maria im Mai

 


Viele Bilder von Maria sind im Laufe von zwei Jahrtausenden Christentum entstanden.

Der Schweizer Schriftsteller und protestantische Pfarrer Kurt Marti hat Maria einen ganzen Gedichtzyklus gewidmet. Darin zeichnet er eine Maria, die ratlos und verstört ist, als sie sieht,  was man aus ihr gemacht hat – eine Maria, die aber gegenwärtig ist in allen Frauen der Geschichte, die ihre Unterdrückung nicht akzeptieren und die sich den Zwängen der Mächtigen widersetzen .

l. und Maria sang


meine Seele erhebt den Herrn
ich juble zu Gott meinem Befreier
ich: eine unbedeutende Frau -
aber glücklich werden mich preisen
die Leute von jetzt an
denn großes hat Gott an mir getan -
sein Name ist heilig
und grenzenlos sein Erbarmen
er braucht seine Macht
um die Pläne der Machthaber fortzufegen
er stürzt die Hohen vom Sitz
und hebt die Unterdrückten empor
er macht die Hungrigen reich
und schickt die Reichen hungrig weg


5. später viel später


blickte Maria
ratlos von den Altären
auf die sie
gestellt worden war
und sie glaubte
an eine Verwechslung
als sie
- die vielfache mutter-
zur Jungfrau
hochgelobt wurde ....

am tiefsten
verstörte sie aber
der blasphemische Kniefall
von Potentaten und Schergen
gegen die sie doch einst
gesungen hatte voll Hoffnung


6. und Maria trat aus ihren Bildern


und kletterte
von ihren Altären herab

und sie wurde
das Mädchen Courage
die heilig kecke Jeanne d'arc
und sie war
Seraphina vom freien Geist
Rebellin gegen Männermacht
und Hierarchie
und sie bot
in Käthe der Kräuter Muhme
aufständischen Bauern
ein Versteck

und sie wurde
millionenfach als Hexe verbrannt

und sie war
die kleine Therese
aber Rosa Luxemburg auch

und sie war und sie ist
vielleibig vielstimmig
die subversive Hoffnung
ihres Gesangs

 

Kurt Marti