immer wieder wird Irmgard bemitleidet.
"Weihnachten, du Arme, so eine schwere Zeit für dich"
Irmgard hat die Eltern früh verloren, selbst keine Familie, keine Kinder, kaum mehr Verwandte, zu denen sie Kontakt hat. Ihre Freunde selbst alle verheiratet, die meisten mit Kindern und Enkelkindern. (Na ja,mir fehlen noch die Enkerln!)
In den letzten Jahren war es auch noch die schwere Krebserkrankung, mit der Irmgard gerade zu den Weihnachtsfeiertagen zu kämpfen hatte: so ein Mensch muss doch zu Weihnachten verzweifeln! ZunWeihnachten, wo die Telefonseelsorge im Dauereinsatz ist!
Wie macht das Irmgard heuer?
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Ein
schwerer grippaler Infekt zwingt mich (nein er zwingt mich eigentlich
gar nicht, denn ich bin ja gerne zuhause), gerade jetzt Haus und Bett zu
hüten. Ich kann mich also gar nicht, selbst wenn ich wollte, ins
Weihnachtsmarktgetümmel mischen, wo bei frühlingshaften Temperaturen
sicher nicht nur Pusch-und Langosduft durch die Lüfte weht, sondern sich
auch Bazillen aller Art daruntermischen.
Ich
komme gar nicht in die Versuchung, mir im letzten Moment noch überlegen
zu müssen, welch halbwegs sinnvolles Geschenk ich für Freunde finden
müßte, die eh schon alles haben. Denn die Pflichtschenkerei im
Freundeskreis wurde schon vor langer Zeit abgeschafft. Nicht aber die
Tatsache, jemandem unterm Jahr eine Freude zu machen, wenn er sie gerade
‚braucht‘.
Ich muß nicht (mehr)
die allseits beliebten Weihnachtsbäckereien nach Großmutters Rezept
machen, nur um sie zu verschenken. Ich kann mir ein paar ausgesucht gute
(und teure) kaufen oder bekomme vielleicht sogar ein paar Kostproben
geschenkt.
Ich muß nicht am
letzten Tag vor den Feiertagen die Fenster putzen und schnell noch das
schwarze Klavier abstauben, das in doppelter Hinsicht ‚verstimmt‘ ist,
weil es nur selten im Jahr zum Einsatz kommt.
Bekocht
muß auch niemand werden, da es keine Familie gibt, die in diesen Tagen
‚die heile‘ spielt und sich das Zubereiten eines mehrgängigen Menüs
ersparen will.
Es gibt keine
kleinen Enkelkinder, die (noch) an das Christkind glauben, was den
Aufwand einer oh-Tannenbaumbeschaffung-und Schmückung rechtfertigen
würde.
Auch die ‚Zwangsbeglückung‘
mit Weihnachtspost, wo schon vorgedruckt von frohen Weihnachten und
einem glücklichen Jahr zu lesen ist, kann ich mir ersparen. Ein paar
wenige, z.T. im Ausland lebende Personen wurden mit einem meiner selbst
verfaßten Gedichte zwangsbeglückt.
Fazit:
ich muß mir nichts beweisen, und ich möchte diesen Gedanken den
Menschen mit auf den Weg durch die kommenden Feiertage geben, die
glauben oder sich schwer tun, nicht allein sein zu können, sich
vielleicht einsam fühlen; die aber versuchen sollten, sich gedanklich
ein bißchen hinter die Kulissen der ach so fröhlichen Fassaden rundherum
zu versetzen. Und dann könnte es durchaus passieren, daß sich das
Gefühl der Einsamkeit in ein Gefühl des wohligen und zufriedenen
Alleinseins, verbunden mit dem einer gewissen Freiheit verwandelt.
Denn: Freiheit ist kostbarer als jedes Geschenk, das dich dazu verleiten mag, sie aufzugeben.
Baltasar Gracian y Morales (1601-1658), span. Jesuit, Moralphilosoph und Schriftsteller