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Montag, 24. August 2020

Irmgard - Vom ÜBER-leben zum LEBEN


Am 8.Mai 2014 habe ich das erste Mal in diesem blog über meine Freundin Irmgard erzählt - das heißt, sie gebeten, über sich selbst zu erzählen. Wir haben lange Jahre miteinander im ORF gearbeitet, Irmgard pumperlgesund. Danach scheint eine Tragödie nach der anderen über sie herein zu brechen - 2008 beginnt alles mit der schrecklichen Diagnose: "Zungenuntergrundkrebs" !         Nach einer ersten Operation und der Hoffnung, "nun ist alles ausgestanden", beginnt das Elend von Neuem ….Ein neuer Tumor, eine neue OP, eine lange, schwere, belastende Bestrahlungsserie danach. Das aktuelle Foto von damals sollte zeigen: Irmgard lässt sich nicht unterkriegen ...Ich bitte sie, über sich selbst zu erzählen: "Irmgards Beispiel soll allen Mut machen, die Schweres erleben" - schrieb ich damals zu Beginn der Irmgard Serie. Keiner von uns konnte ahnen, was Irmgard in den folgenden Jahren noch bevorstand. So im Jänner 2017 nach einer akuten urologischen Sepsis eine Spondylodiszitis: ein unheimlicher Keim in der Wirbelsäule.             Irmgard monatelang mit Schmerzen und schweren Behandlungen ans Spitals Bett gefesselt. Lange eine Zeit, in der es um das nackte Überleben dieser Sepsis ging.  Mit unglaublicher Kraftanstrengung ging es danach an die Rehabilitation - bis im Sommer 2018 ein Herzinfarkt passierte. Na klar, "aus heiterem Himmel".  Am 17.August 2019 dann ein zweiter Infarkt. So schwer, dass Irmgard reanimiert werden musste. Wieder Wochen, um vom Modus "Überleben" - ins Leben zu kommen.  

Das Foto unten zeigt Irmgard bei ihrer Herz Rehabilitation im Herbst 2019 in Großgmain.                Eine Irmgard, die sich ihr Lächeln und ihr Mitfühlen mit anderen nicht nehmen lässt. Eine Irmgard, die sich nicht unterkriegen lässt. Unerschütterlich scheint sie - und doch beutelt man nicht so leicht ab, was einem geschehen ist. Was tut das mit einem - so Schweres immer wieder aushalten zu müssen???

Wieder habe ich Irmgard um einen eigenen Bericht gebeten: 

Vom Überleben zum Leben

Erst vor kurzem hat meine liebe Freundin Ilse hier an dieser Stelle mit berührenden Worten 'meines Schicksals' gedacht, wofür ich ihr nochmals ganz herzlich danken möchte.

Täglich gewinnen die Worte, die über meinen Blog-Eintragungen stehen, immer mehr an Bedeutung. Denn täglich nehmen Gedanken Besitz von mir, die in früheren Jahren, bzw. vor meinen Erkrankungen überhaupt kein Thema waren, was aber allein schon dadurch bedingt ist, daß jeder meiner gesundheitlichen Schicksalsschläge Narben hinterlassen hat – sichtbare wie z.B. die am Hals nach den beiden Zungengrundkarzinomen, aber vor allem viele nach außen unsichtbare. Denn zu diesen gesellt sich nun auch noch der zum Teil auch sichtbare altersbedingte Abbau des Körpers, der zusätzlich verkraftet werden muss; Muskeln und Gewebe werden schlapp, Haut und Haare verändern sich, etc. Glück im Unglück – da meine Reanimation vor einem Jahr schnell und gut verlief - hat zumindest 'der Kopf' keinen nachhaltigen Schaden erlitten; das Schreiben wäre schwer eingeschränkt, muss ich doch ohnehin aufgrund der dreißig Bestrahlungen bereits den Verlust der Singstimme beklagen und auch einsehen, dass so vieles nicht mehr machbar und möglich ist, denn ich kann mich auf meinen Körper nicht wirklich verlassen.

Ich war nie hysterisch, und möchte es natürlich auch nicht werden, dennoch drängt sich immer öfter die Frage auf, wieweit soll (muss) ich meinen Körper beobachten, in ihn hineinhören und bei auftretenden Beschwerden gleich einen Arzt aufsuchen, und wieweit kann ich meinem Instinkt vertrauen und die Situation gelassen und vor allem richtig einschätzen. Ein Gedanken-und Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten, bzw. Betroffenen kann da manchmal hilfreich sein. Und  dieser findet zum Glück regelmäßig mit Freundin Ilse statt, wenn wir beklagen, welche Wehwehchen oder Ungeschicklichkeiten uns schon wieder ereilt haben. Noch können wir über so manches lachen, aber....

Was jedoch in jedem Fall hilfreich ist – und das kann ich nur allen älteren (alleinstehenden) Personen empfehlen zur eigenen Beruhigung und der der Familie und Betreuungspersonen – ein 'Vorsorgepaket': In erster Linie ein Notruftelefon (inkl.Schlüsselsafe), eine Patientenverfügung, eine Vorsorgevollmacht, ein Testament und eine finanzielle Absicherung der Beerdigung. Ich habe das alles in den letzten Jahren sukzessive erledigt.

Bleibt nur noch, meinen (Tag)traum zu erwähnen: unbeschwert beschwerdefrei zu sein. Vielleicht gelingt es ja doch noch hin und wieder – wenigstens tageweise."



Wie viele Jahre liegen wohl zwischen der kleinen Irmgard auf dem großen Zeitungs-Titel-Blatt          und der tapferen 75 Jahre alten Frau,                          die jetzt ein ganz anderes Titel Blatt "zieren" könnte

Vom Überleben zum Leben

Irmgard schafft das Leben, immer wieder.                    Schon ist sie dabei, wieder die Theater Abos für die neue Saison zu ordern. Der Blick geht immer nach vorn. Oft und oft schaue ich mir das von ihr ab.

An der "Wegwarte" kann man sich ein Beispiel nehmen, schreibt Irmgard zu dem Foto, das sie aufgenommen hat:       

"so robust müsste man sein"

 

 



Ja, so robust ist Irmgard, trotz allem, was passiert ist. Da steht auch bereits ein nagelneuer PC am Schreibtisch - Irmgard ist mit vielen Freunden in Kontakt, aber genau so mit Ämtern und offiziellen Stellen: sie hält nicht zurück mit Kritik und Anregungen - was immer wieder sogar dankbar aufgenommen wird. Und wer weiß, vielleicht werden wir sie über diesen PC ja im Herbst wieder über you tube mit neuen "Gutenachtgeschichten" im Internet hören.