Foto Samya Hamieda Lind
"Die Zen Meister sagen,
der Spiegel ist ohne Ego und ohne Absicht.
Schaut ein Gesicht in ihn hinein, so reflektiert er ein Gesicht.
Stellt man einen Tisch vor ihn hin, so reflektiert er einen Tisch.
Der
Spiegel zeigt alles so, wie es wirklich ist.
Vom Spiegel kommt keinerlei wertender Geist oder ich bezogenes Denken ins
Spiel.
Der Spiegel ist ganz leer von sich selbst.
Tritt etwas in sein Gesichtsfeld, reflektiert es der Spiegel -
zieht es weiter, lässt es der Spiegel weiterziehen.
Der Spiegel ist leer von sich selbst und ganz offen für das andere.
Er nimmt auf und spiegelt wieder, was DA ist, nicht mehr und nicht weniger.
Der Spiegel ist der vollkommene Liebhaber und Kontemplative.
Er wertet nicht, richtet nicht, greift nicht ein.
Er hält sich an die Anweisung des Philosophen Wittgenstein "Denk nicht!
Schau!"
Wenn wir lieben wollen, müssen wir zuerst einmal Spiegel werden.
Wir müssen frei von uns selbst werden
Wir müssen der Tyrannei unserer eigenen Urteile, Meinungen und Gefühle über
alles und jedes entrissen werden.
Wir müssen damit aufhören, unserer falschen Subjektivität leichtgläubig zu
vertrauen,
die alles und jeden in der Welt zum fest umrissenen Objekt macht -
auch Gott.
Wir müssen Spiegel sein ... einfach nur Spiegel"
Text Richard Rohr, 1943* US Franziskaner, Friedensaktivist, einer der
Köpfe der spirituellen Erneuerung in der kath.Kirche, inspiriert von Zen und
Buddhismus, seit Jahren vor allem engagiert in der "Initiation für
Männer" - Projekt „M.A.L.Es“, „Men As Learners and Elders“.