An Stelle der Fürbitten 17.11 2020
Geh bis an deiner Sehnsucht Rand
Der 2.große Lockdown hat begonnen – in den katholischen und evangelischen Kirchen werden derzeit keine Gottesdienste gefeiert, auch bei den Muslimen entfällt das große öffentliche Freitagsgebet, Wir alle sind Teil einer zivilen Gesellschaft, die sich nun in Solidarität bemühen soll, die beunruhigend angestiegenen Covid Zahlen wieder zu drücken. Abgesehen von den großen Problemen im Bereich der Wirtschaft scheint das Rezept heilsam und vernünftig. WENIGER ist MEHR
SMALL IS BEAUTIFUL
Weniger beliebige Kontakte, weniger Konsum, weniger Betriebsamkeit …was wir sonst im Advent oft nur mehr als romantische Kerzerl Gemütlichkeit feiern, das können wir jetzt nüchtern und bewusst leben. Wer gesund ist, wer keine finanziellen und existentiellen Probleme hat: der sollte jetzt nicht jammern, sondern ganz bewusst versuchen, den Nutzen in dieser reduzierten Zeit herauszufinden.
In der Liturgie der Kirche wird heute eine der großen Frauen des Mittelalters gefeiert: Gertrude von Helfta, eine hochgebildete Ordensfrau, die zur Mystikerin wurde. (1256 in Thüringen geboren – sie lebte bis 1302)
Was ist Mystik? Es gibt sie nicht nur in allen Religionen, es gibt sie in jedem Leben. Nehmen wir die Definition von Friedrich Nietzsche:
„Wo Sehnsucht und Verzweiflung sich paaren, da entsteht Mystik“
Leben wir nicht genau in einer solchen Zeit? Leben wir nicht alle - zu jeder Zeit – in diesem Spannungsfeld?
Der große Konzilstheologe Karl Rahner sagte: "Der Christ der Zukunft wird Mystiker sein, oder er wird gar nicht mehr sein“ Auf Christen bezogen heißt das: es geht letztlich nicht darum, ein braver Kirchgänger zu sein: letztlich zählt nur die Sehnsucht. Die Sehnsucht, eine ganz persönliche echte lebendige Beziehung zu diesem Jesus Christus zu finden.
Gerade im lockdwon wird den Christen nicht mehr automatisch
ein Gottesdienst „vor-gesetzt“ – verlässlich mit Priester am Alter, der sozusagen der alleinige Vollzieher des Ritus ist: JETZT wäre durchaus die Zeit, nicht gleich wieder zum Gottesdienst-Stream
im Internet zu eilen und sich "be-dienen" zu lassen: Vielleicht lieber in aller Ruhe in sich selbst JESUS suchen ….Das muss keine großartige Meditation sein .... einfach in sich hineinspüren ....in sich die eigene Sehnsucht spüren .... und durch sie hindurch auf Jesus zugehen
Wie sagt
Angelus Silesius: "Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem
geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren".
Nein,
VERLOREN ist kein einziger Mensch, der nicht an Christus glaubt, das wäre ein
schrecklicher Gedanke – aber wir als Christen, wir sollten ihn IN UNS selbst
erfahren. Auf die uns eigene Weise.
Alles beginnt mit der SEHNSUCHT – schreibt in unserer Zeit die jüdische Dichterin Nelly Sachs:
Gertrude von Helfta hat es auf ihre Art gesagt:
und Jahrhunderte später wird Rilke dichten: