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Donnerstag, 24. Mai 2018

Abschied mit der Weisheit der Theresia von Avila


Ein Michel geht - der neue kommt. Baba mit Wehmut -
Aber nicht um Stadtpolitik soll es hier gehen - wenn ich mir auch wünsche, dass Wien so lebenswert bleibt, wie es ist - hier soll noch einmal Michael Häupl mit seinen allerletzten Abschieds-Worten
im Wiener Gemeinderat zitiert werden. Sein Vorgänger Leopold Gratz habe ihm bei seinem Antritt als Bürgermeister nämlich ein Gebet übergeben, aus dem er zitieren wolle.
Es ist der berühmte Gebet der Kirchenlehrerin Theresia von Avila (1515-1582)
auch für Agnostiker ein Leitfaden beim Älter und Weiser-Werden


Gebet um Gelassenheit und Weisheit

Gott, befreie mich von dem
Verlangen, jedermanns
Angelegenheiten in Ordnung bringen
zu wollen. 
Bewahre mich vor der unheilvollen
Angewohnheit zu meinen, ich müsse
zu allem etwas sagen und das bei
jeder Gelegenheit. 

Angesichts meines unermesslichen
Vorrats an Lebenserfahrung erscheint
es mir zwar bedauerlich, nicht alles sagen 
zu können, aber du weißt Herr, dass ich
ein paar Freunde haben möchte am
Ende.

Bewahre mich davor, endlose
Einzelheiten aufzuzählen; verleihe mir
Flügel, zur Hauptsache zu kommen. 

Mache mich bedachtsam
und nicht schwermütig, hilfsbereit,
jedoch nicht herrschsüchtig. 

Versiegle meine Lippen, was meine
Schmerzen und Leiden anbelangt.
Sie nehmen zu, und die Lust daran,
sie aufzuzählen, wird wohltuender mit
den Jahren. 
Um so viel Gnade wage ich zwar nicht zu bitten, 
dass ich
an den Erzählungen über die
Schmerzen anderer Gefallen finden
könnte; hilf mir
jedoch, sie mit Geduld zu ertragen.

Trage Sorge dafür, dass ich
einigermaßen liebenswürdig bin ; ich
möchte keine Heilige, kein Heiliger
sein - mit manchen von ihnen ist es
schwer zu leben - aber eine
sauertöpfische alte Person ist eines
der hervorragendsten Werke des
Teufels.

Ich wage es nicht, ein besseres
Gedächtnis zu erbitten, wohl aber
zunehmende Bescheidenheit, und
abnehmende Selbstsicherheit, wenn
meine Erinnerung mit den
Erinnerungen anderer in Widerspruch
zu stehen scheint.
Führe mich zu der großartigen
Erkenntnis, dass ich mich
gelegentlich auch irren könnte.

Schenke mir die Fähigkeit, Gutes zu
entdecken an Orten, an denen ich es
nicht erwarte und Begabungen in
Menschen, denen ich sie nicht
zutraue.

Und gib mir, o Herr, die Gnade, es
ihnen auch zu sagen. Amen.