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Mittwoch, 25. Dezember 2019

ADVENT 25 DAS GANZ NEUE


Gerhard Marcks Frau mit Säugling 1939

Geboren aus der Jungfrau Maria

Jungfrauengeburt meint nichts Biologisches, sondern etwas Geistliches.
Die Wahrheit über diese Jungfräulichkeit findet man nicht bei einer gynäkologischen Untersuchung.
Die Evangelisten, die von der Jungfrauengeburt schreiben, sind Theologen, keine Sexologen.
Sie sprechen nicht von der menschlichen Fortpflanzung, 
sondern vom Fortschritt des Menschlichen.
Die Jungfrauengeburt ist Chiffre für die emanzipatorische Idee, 
sie ist ein Freiheitsbegriff. Die Sprache der Bibel und des Credos ist hier eine mythische, keine historische oder naturwissenschaftliche.
»Jungfrauengeburt« soll besagen, dass etwas ganz Neues zur Welt kommt, 
das nicht männlicher Macht entspringt. 
Die Weihnachtsgeschichte beginnt mit dem Abschied vom Patriarchat. 
Das Neue kommt ohne Zutun männlicher Potenz zur Welt - 
durch die Kraft des Geistes.
>>Geist« ist in der hebräischen Bibel feminin, eine Die, 
 eine schöpferische, weibliche, pfingstliche Kraft: 
Sie reformiert, sie revolutioniert, sie macht neu.
Daher heißt es im Magnifikat, im Lobgesang Marias: »Gott stürzt die Mächtigen vom Thron<<.
Die Legende von der Jungfrauengeburt legt also die Axt ans Stammbaum-Denken 
und die klassischen Machtstrukturen. Die Geschichte, dass alles vorbestimmt ist durch die Abstammung und dass es nur einen Vater geben kann, ist zu Ende.
Die Weihnachtsgeschichte ist also auch eine tröstliche Geschichte für all die Menschen, 
die in komplexen Familienstrukturen leben.
Schon für das Kind in der Krippe sind die Verhältnisse kompliziert. 


HERIBERT PRANTL



und wie immer im Advent 
hier auch die Gedanken meiner Freundin Samya 
aus ihrem wunderbaren Advent-Blog: 
auch Foto: Samya Hamieda Lind




Gebet

Ich suche allerlanden eine Stadt,
Die einen Engel vor der Pforte hat.
Ich trage seinen grossen Flügel
Gebrochen schwer am Schulterblatt
Und in der Stirne seinen Stern als Siegel.

Und wandle immer in die Nacht ...
Ich habe Liebe in die Welt gebracht –
Dass blau zu blühen jedes Herz vermag,
Und hab ein Leben müde mich gewacht,
In Gott gehüllt den dunklen Atemschlag.

O Gott, schliess um mich deinen Mantel fest;
Ich weiss, ich bin im Kugelglas der Rest,
Und wenn der letzte Mensch die Welt vergießt,
Du mich nicht wieder aus der Allmacht läßt
Und sich ein neuer Erdball um mich schließt.

else lasker schüler.