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Freitag, 25. August 2017

wenn sich das Leben durchsetzt - eine Irmgard Geschichte



Das Alte stirbt, es ändert sich die Zeit,
und neues Leben blüht aus den Ruinen. (Schiller) 

Freundin Irmgard schickt mir vor wenigen Tag dieses Foto - aufgenommen durch eine Dachluke ...
am Hausdach setzt sich das Leben durch ... und das bei diesen knalligen Temperaturen, ohne dass eine gute Seele Wasser spenden kann. Können wir uns an so viel Lebens-Kraft und -Freude
und -Zähigkeit ein Beispiel nehmen? In vielen Beiträgen hat Irmgard hier in diesem blog von ihrer schweren Krebserkrankung berichtet - nicht zuletzt deshalb, um vielleicht auch anderen Mut zu machen, die sich mit einer schweren Situation herumschlagen müssen. Anfang dieses Jahres
ist es für Irmgard plötzlich wieder "eng" geworden - im wahrsten Sinn des Wortes (so steckte man sie wochenlang in ein schweres Mieder...ja, und sie sollte es bisweilen doch noch immer tragen!)
Am 6.Jänner 2017, Feiertag Dreikönig, hat sich Irmgard selbst wegen arger Schmerzen ins
Spital eingewiesen ...die Diagnose war gar nicht so einfach zu erstellen: Nierensteine steckten im Harnleiter ...Not OP!!! Und doch fing damit erst der Leidensweg an......
Für Irmgard ist der 26.Jänner der Tag, an dem sie von einer normalen Spitalspatientin zu einem
"Sonderfall" wurde. Hier Irmgards Bericht


Schicksalstag 26. (Jänner 2017)

der Tag, an dem ich (bis heute) zum letzten Mal gelacht habe, ehe ich dann die niederschmetternde Diagnose ‚Spondylodiszitis‘ erhielt. Dem war bereits eine akute urologische Sepsis mit Notoperation und dementsprechenden Behandlungen vorangegangen.
Die Leitung der Pflegeakademie der Barmherzigen Brüder war mit der Bitte an mich herangetreten, mich für eine Fotoserie zur Verfügung zu stellen, 


die dann u.a. per scroll die Pflegeakademie vorstellen und bewerben sollte. Mit einer ‚Elevin‘, einer Schülerin, stellte ich mich also am 26.Jänner dem Fotografen, der uns mit seinem Schmäh, seinen Komplimenten und seiner positiven Ausstrahlung immer wieder bei Laune hielt, um gute Bilder zu bekommen.


(Foto Quelle Pflegeakademie der Barmherzigen Brüder Wien.)

Kaum war dieser für meinen Rücken doch sehr anstrengende und belastende Einsatz abgeschlossen,  ‚lauerte‘ bereits im Hintergrund die Überbringerin der Diagnose dieser Schmerzen: festgestellt worden war bei mir nämlich eine selten auftretenden Krankheit, deren Name ich zuvor noch nie gehört hatte, äußerst schmerzhaft und ausschließlich mit strenger Bettruhe und den ‚passenden‘ Antibiotika, zu heilen. Und das könne man, versicherte man mir, bringe ich nur die nötige Geduld dafür auf, ES durchzustehen.


Ich habe die "Geduld" aufgebracht und bin dadurch auch einer in Erwägung gezogenen Operation (mit ungewissem Ausgang) entkommen. 
Die ‚aufmunternden‘ Worte eines Oberarztes ‚früher legte man die Menschen in ein Gipsbett‘, und die eines jungen, engagierten Arztes: "sie haben nur zwei Möglichkeiten, entweder sie halten durch, oder es ist aus" -  taten das ihre.
Ein unbeschreibliches Martyrium von 126 Tagen 
in ein und demselben Bett begann:



Röcheln, Wasser in der Lunge, im Gesicht bereits blau, Sauerstoffmaske, ein Ohnmachtsanfall, von dem ich zwar nichts mitbekommen hatte, der aber im ganzen Haus Herzalarm auslöste, zweimal Intensivstation, Untersuchungen wie EKG, Röntgen, CT, Ultraschall, EEG, Zahn ziehen, Knochendichte bestimmen, Gyn, Osteoporose-Beratung, neurologische Abklärung, bis hin zu acht MRT-Untersuchungen (eine davon mit Maske) bestimmten meinen Tagesablauf; von der täglichen schmerzhaften Antithrombose-Spritze, unzähligen Blutabnahmen und Infusionen bis hin zum dreimaligen ‚Setzen‘ eines ZVK (Zentralen Venen Katheters) im Schlüsselbeinbereich. 

Literweise flossen Antibiotika und Schmerzmittel 
in meine bereits sehr desolaten Venen, 
ehe (kiloweise) auf ‚oral‘ umgestellt wurde; 
ein dreimal täglicher ‚Cocktail‘ 
mit zum Teil ‚überdimensionalen‘ Tabletten, 
denen auch noch der Psychiater ‚seine‘ Dosis an Antidepressiva hinzufügte. 
Zusätzlich wurde mir ein Mieder 
zur Stabilisierung der Wirbelsäule angepasst.
An die aus meiner Sicht vielen entwürdigenden Situationen will ich mich an dieser Stelle nicht erinnern.
Vier schmerzhafte Stürze 
(zum Glück ohne Brüche) 
gegen Ende des Aufenthaltes gaben mir dann noch den Rest.
Nach 126 Tagen habe ich schließlich das Krankenhaus verlassen und mich über Wochen nur mit Hilfe eins Rollators fortbewegen können. 
Aber ich war nicht mehr die Person, 
die vor zwei Jahreszeiten ihr zugegebenermaßen schönes Zimmer bezog. Der Verlust von 15kg Körpergewicht, dem nahezu sämtlicher Muskeln und vor allem dem bis zur Hälfte meiner einst schönen Haare (der wohl schmerzlichste), machten aus mir eine ‚andere Person‘, mit der ich entweder leben lernen oder daran arbeiten muss, einen Teil davon ins Positive umzukehren. Und vor allem ist nach wie vor Geduld gefragt, wobei dieses Kontingent so gut wie aufgebraucht ist.
Die Frage, was Antibiotika, Schmerzmittel und Psychopharmaka, über so lange Zeit verabreicht,  tatsächlich in verschiedenen Bereichen des Körpers anrichten können, die nicht therapiert werden sollen, kann mir bis heute niemand schlüssig beantworten. Schmerzmittel und Antidepressiva habe ich mittlerweile ‚ausschleichen‘ lassen, in zwei Etappen – also Ende September - sollte dann auch das Aus für die Antibiotika gekommen sein.
Ärzte und das gesamte Pflegepersonal taten aus ihrer (medizinischen) Sicht das Möglichste, um mir die beste Behandlung angedeihen und mich nicht total verzweifeln zu lassen, dennoch gab es fast täglich eine neue Situation, in der ich mich nach ein und derselben fachlich kompetenten und einfühlsamen Ansprechperson gesehnt hätte, 
mit der ich mich austauschen hätte können; letztendlich aber mit allem allein fertig werden musste.
Nur langsam finde ich von der Fremdbestimmung durch Ärzte, Untersuchungen und Medikamente zurück zur Selbstbestimmung – eine wesentliche Voraussetzung für einen gedeihlichen Heilungsprozess, der aber noch lange nicht ganz abgeschlossen ist."


Foto Irmgard Czerny

PS
Auch wenn sie selbst es oft noch nicht wahrhaben kann - Irmgard hat den Weg über das Brückerl geschafft - anders hätte sie ihren Bericht - nach Monaten des Traumas - wohl gar nicht verfassen können, denke ich mir. Auch diesmal hat sie von sich berichtet, um anderen Mut zu machen. 
Auch darin liegt vielleicht der unergründliche Sinn einer so sinnlos scheinenden Krankheit.
Weil sich "das Leben durchsetzt" - hier noch ein Foto von Irmgard, das sie mir auch in diesen
Tagen geschickt hat. Mir scheint: das Lachen kommt wieder!!!  Danke Irmgard!!!




Sonnenblumen Smiley
Foto Irmgard Czerny,