Seiten

Donnerstag, 24. September 2015

.... wo, wo zuerst anfangen .... SDS 32

 
Gebetszettelchen 
in der Klagemauer in Jerusalem

Zehntausende Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und Pakistan sehen wir in diesen Tagen nach Österreich strömen ...Lange, lange war die "Flüchtlingsproblematik" etwas, was uns persönlich nur über Medien erreicht hat. Von Lampedusa und den Tragödien der vielen Toten im Mittelmeer haben wir gehört - Griechenland, überlaufen von all denen, die aus der Türkei auch auf gefährlichem Weg in der Ägäis nach Europa flüchten. Die Millionen Flüchtlinge in Syrien selbst, im Libanon, haben wir nicht wirklich wahr genommen. aber nun SEHEN wir die Menschen, hier, bei uns, hautnah: sehen die Gesichter der Kinder, der Frauen, der Männer...
wir sehen die Alten, die es kaum mehr schaffen, Menschen, die in Rollstühlen geschoben werden..und Kinder, Kinder, Kinder - Neugeborene - auf der Flucht geboren.
Der kleine Grenzort Nickelsdorf tagelang voll mit 10.000 Flüchtlingen und mehr, die versorgt und weiter gebracht werden - nach Wien, nach Salzburg, nach Oberösterreich. Dramatische Situationen gibt es immer wieder - HILFE gelingt nicht zuletzt nur mit der HILFE durch tausende freiwillige Helfer. In Wien am Hauptbahnhof, am Westbahnhof, in vielen Notquartieren der Stadt aber auch in anderen Bundesländern, vor allem in Salzburg kümmern sich rund um die Uhr Menschen,die sich spontan zusammen gefunden haben ...
Vor allem die Tragödie um die am 27.August in einem Kühllaster aufgefundenen 71 erstickten Menschen, die Schleppern zum Opfer gefallen sind, hat alle aufgerüttelt.
Kardinal Schönborn ruft Pfarren und Orden auf, "Quartier zu geben". Gerade die Orden leisten ja über Jahrzehnte schon diesen Dienst an den Ärmsten der Armen. Auch Pater Jordans Gesellschaft vom göttlichen Heiland hatte von allem Anfang an das Ziel, in erster Linie für die da zu sein, die von Anderen vergessen sind.

Pater Jordan, der Gründer der Salvatorianer 
mit Sr.Maria von den Aposteln, die den weiblichen
Zweig des Ordens gegründet hat - von den Schwestern soll heute die Rede sein

Noch ehe uns das Flüchtlingsdrama direkt erreicht hat, hatte ich Anfang August
Schwester Brigitte Thalhammer, die Provinzoberin der Salvatorianerinnen gefragt:
"Welchen Brief würden SIE heute P.Jordan schreiben, wenn sie ihm erzählen wollten,
was momentan an Sorgen und Anliegen und an Erfreulichem und Guten
von der Gemeinschaft zu berichten ist."
Hier Sr. Brigittes Brief vom 21.September 2015 -





Lieber P. Jordan,

wie lange ich dir schon schreiben will. 

Zunächst wollte ich dir von den Professjubiläen im August schreiben: von diesem beeindruckendem Zeugnis der Mitschwestern, die seit 40, 50 – ja 60 Jahren als Salvatorianerinnen leben. 

 

Doch dann ging es gleich 
auf eine Pilgerreise ins Heilige Land. 


Das war unglaublich beeindruckend – und ich musste daran denken, wie diese Stätten wohl zu der Zeit ausgesehen haben, als du dort warst.

Dein Aufenthalt im Orient hat dich sicher sehr geprägt – gerade auch die Begegnung mit Menschen aus so ganz anderen Kulturen. 


Aber auch diese Reise ist nun so sehr überlagert durch das, was Europa zur Zeit so sehr prägt. 
Das, was vermeintliche Unkenrufer schon vor langer Zeit angekündigt haben, tritt ein. 
Menschen aus den Kriegsgebieten im Nahen Osten und aus wirtschaftlich aussichtslosen Situationen in Afrika kommen nach Europa. 
Wir leben in EINER Welt. Es lässt sich kein Lebensstil aufrecht erhalten, der auf Kosten der ohnehin Armen gelebt wird. Menschen fliehen nicht nur vor Gewalt, sie fliehen auch vor Ungerechtigkeit, 
vor korrupten und unfähigen Politikern. 
Und sie werden in Zukunft fliehen, weil die Umwelt in ihren Ländern zerstört ist. Wie recht hat Papst Franziskus mit seiner Beschreibung in seiner Enzyklika „Laudato si“.
 
Lange haben wir die Menschen an den Außengrenzen abgehalten. Lange haben die ohnehin schon viel ärmeren Länder wie Griechenland oder Süditalien die Hauptlast in Europa getragen (ganz abgesehen davon, dass immer noch gut 90% der Flüchtlinge in anderen armen Ländern Aufnahme finden). 
Jetzt sind wir mit dem Leid intensiver konfrontiert. 

Ja – P. Jordan, ich muss gestehen, ein wenig Angst habe ich schon, wie das in Zukunft unser Land prägen wird? 
Wie die Kulturen und Religionen mit einander leben lernen, 
welche Auswirkung das auf die Stellung der Frauen haben wird? 
Und zugleich merke ich, wie du mir den Rücken stärkst. 
Wie du Mut machst: Die Liebe Gottes gilt jedem Menschen ohne Unterschied – 
und wenn ich auf Jesus schaue: es waren gerade die Armen, Schwachen, Verachteten, 
die Ausgegrenzten, denen er sich zuwandte. 
Zu unserer salvatorianischen Identität gehört die Universalität: 
Nichts und niemanden auszugrenzen. P. Jordan – wie weitsichtig du bist!!! 
Wie aktuell ist dein Herzensanliegen: die befreiende Lieben Gottes allen Menschen zu verkünden und zu bezeugen. Und da geht es vor allem zunächst mal um das Zeugnis.
„Was ihr den geringsten meiner Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan“ – das bleibt nun mal der Maßstab Jesu – und somit „unser“ Maßstab. 

Wobei ich merke, wie viele junge Menschen, die mit Kirche nichts am Hut haben, sich super engagieren (die leben „unseren“ Maßstab)  

Foto Viele freiwillige Helfer  am Wiener Hauptbahnhof

und wie andere sich auf das Christentum berufen und meinen, der „Nächste“ wären nur die eigenen Landsleute. So eine Verdrehung.

Dass Menschen mit so einer Einstellung an die Macht kommen könnten, das macht mir nun wirklich Sorge.

Und zugleich höre ich dich, P. Jordan, sagen: „Vertraue – und öffne dein Herz: für alle!“

Da sind wir dran. 
Gemeinsam mit den Mitbrüdern und den Mitgliedern der salvatorianischen Laien weisen wir mit „ware mensch“ auf das Unrecht von Menschenhandel hin. 



Da ist schon sehr viel an Bewusstseinsbildung passiert. 
Und ganz konkret werden wir mit anderen Ordensfrauen mit Solwodi Österreich. 
Dort, in einem Schutzhaus, werden Opfer von Menschenhandel betreut – 
bzw. wird Frauen, die aus der Prostitution aussteigen möchten, Möglichkeit dazu geboten. 
Ich bin sehr dankbar, was durch das Miteinander Wirklichkeit geworden ist – 
und dass Sr. Patricia  so hartnäckig dran geblieben ist. 
Einige der Frauen haben nun schon Arbeit und eine eigene Wohnung.


Und ich hoffe sehr, dass wir bald mehr als eine Wohnung für Flüchtlinge zur Verfügung stellen können. Und bald soll ein syrisches Baby im St. Josef Krankenhaus auf die Welt kommen – unser Sozialwerk kann die Kosten übernehmen
Hoffentlich hat er oder sie einen guten Start ins Leben.

Lieber Pater Jordan - Gut – ich schließe für heute. 
Werde mich aber immer wieder mal melden, um dich zu fragen, was nun dran ist?
Danke für die Verbundenheit

deine Schwester Brigitte